Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern Sobieski: 1694/95 Therese Kunigunde Karoline Sobieska

François de Troy  (1645–1730): Porträt Teresa Kunegunda Sobieska als Braut, um 1695
François de Troy (1645–1730): Porträt Teresa Kunegunda Sobieska als Braut, um 1695. Öl auf Leinwand, 81 x 64,5 cm, Nationale Kunstgalerie Lviv/Lviv National Art Gallery

1694/95 Therese Kunigunde Karoline (1676-1730), Prinzessin von Polen/Teresa Kunegunda Sobieska, Tochter von Johann III. Sobieski/Jan III Sobieski (1629-1696), König von Polen, Großfürst von Litauen, heiratet Maximilian II. Emanuel (1662-1726), Kurfürst von Bayern

 

Nach dem Kronprinzen Jakob Louis Heinrich Sobieski/Jakub Ludwik Henryk Sobieski (1667-1737), der 1691 Hedwig Elisabeth Amalia von Pfalz-Neuburg (1673-1722) geheiratet hat, ist seine neun Jahre jüngere Schwester Therese Kunigunde die zweite Nachkommin, die der polnische König Johann III. Sobieski nach Deutschland und in das Haus Wittelsbach verheiratet. Ihre Mutter, Gräfin Marie Casimire Louise de la Grange d’Arquien/Maria Kazimira Sobieska (1641-1716, Abbildung unten), ist als Elfjährige aus Frankreich an den polnischen Hof gekommen, hat zunächst den Wojewoden von Sandomierz, Jan Sobiepan Zamoyski, geheiratet und nach dessen frühem Tod 1665 Johann Sobieski geehelicht. Therese Kunigunde wird am 4.3.1676 in Warschau geboren und wächst in dem in diesen Jahren unter ihrem Vater errichteten Palast von Wilanów auf. Nur vier von zwölf Kindern des Königspaars, das 1674 durch Wahl an die Regierung gekommen ist, erreichen das Erwachsenenalter. Davon ist Therese Kunigunde die Zweitälteste und die einzige Tochter, wodurch ihrer Verheiratung besondere Bedeutung zukommt. Vermutlich deshalb kursiert zu ihrer Zeit das Gerücht, sie werde mit einer immensen Mitgift von einer Million Talern ausgestattet.

Maximilian Emanuel wird am 11. Juli 1662 in München als Sohn des Kurfürstenpaars Ferdinand Maria von Bayern und Henriette Adelheid von Savoyen geboren. Aus Anlass der lange ersehnten Geburt des Kurprinzen werden in der Residenzstadt das Schloss Nymphenburg als Sommerresidenz und die Theatinerkirche errichtet. 1680 übernimmt Max Emanuel die Regierung und führt die bisherige Neutralitätspolitik gegenüber den Habsburgern und den Bourbonen fort. Aufgrund eines 1683 mit Kaiser Leopold I. geschlossenen Verteidigungspakts kämpft er in der Schlacht um Wien gegen die Osmanen und engagiert sich auch in den nachfolgenden Türkenkriegen. 1685 heiratet er Leopolds Tochter, Erzherzogin Maria Antonia (1669-1692), die als Tochter der spanischen Infantin Margarita Theresa an erster Stelle in der Erbfolge über das spanische Weltreich steht. Fortan gilt auch Maximilian in Vertretung für seine Gemahlin als möglicher Anwärter auf das spanische Erbe und steht damit in Konkurrenz zum Kaiser und zum französischen König Ludwig XIV. 1688 kämpft er als Oberbefehlshaber über das kaiserliche Heer in den Ungarnfeldzügen erneut gegen die Osmanen. Der Erbfolgekrieg um die Pfalz beendet die zuvor guten Beziehungen zwischen dem Haus Wittelsbach und Frankreich. 1691 ernennt König Karl II. von Spanien Max Emanuel zum Generalstatthalter der Niederlande, der damit seine Hoffnungen auf das Erbe des spanischen Weltreichs erneuert. Ab März 1692 residiert er in Brüssel. Maria Antonia stirbt am Ende desselben Jahres am Kindbettfieber, jedoch erbt der überlebende Sohn Joseph Ferdinand ihre spanischen Ansprüche.

Max Emanuel geht umgehend wieder auf Brautschau. Ludwig XIV. befürwortet eine Verbindung mit Polen, da die polnische Königin Maria Kazimira aus Frankreich stammt und mit ihm verwandt ist. Für Max Emanuel besteht die Aussicht auf eine hohe Mitgift, die jedoch später zu seiner Enttäuschung nur auf 500.000 Taler festgelegt wird (Hochzeitspakt, 1694). Nach Polen schickt er lediglich bayerische Gesandte, die sich offenbar schnell mit dem Königshaus einigen. Eine erste Eheschließung findet per procurationem in Warschau statt. Therese Kunigunde (Titelbild) reist anschließend mit kleinem Gefolge nach Geldern, wo ein eigener Hofstaat aus niederländischen Bediensteten und französischsprachigen Hofdamen für sie zusammengestellt worden ist. Ihren Ehemann trifft sie erst einige Monate später im Dezember 1694 in Wesel am Rhein, wo am 2. Januar 1695 die eigentliche Hochzeit stattfindet. Auch später spricht sie – mit Billigung von Max Emanuel – kein Deutsch, sondern Französisch und Italienisch. Den Adel der spanischen Niederlande soll sie herablassend behandelt haben. Sie gilt jedoch als herzlich und volkstümlich und habe eine eigenartige Vorliebe für polnische Kleidermode gehegt (Komaszyński, 1995).

 

Max Emanuel gerät inzwischen im seit 1688 anhaltenden Pfälzer Erbfolgekrieg soweit in Bedrängnis, dass französische Truppen 1695 bis vor die Tore Brüssels vordringen und ein Viertel der Stadt in Schutt und Asche legen. 1699 brechen Unruhen gegen seine absolutistische Herrschaft aus. Im selben Jahr stirbt der siebenjährige Thronfolger Joseph Ferdinand nach einer Krankheit, wodurch die Anwartschaft auf das spanische Erbe aussichtslos wird. 1701 öffnet Max Emanuel französischen Truppen den Zugang zu den Festungen der spanischen Niederlande, schließt einen Freundschaftspakt mit Frankreich und kehrt nach Bayern zurück. Im Folgejahr überfällt er die freie Reichsstadt Ulm, 1703 Neuburg an der Donau, Regensburg und Tirol. Eine Vermittlung durch den Kaiser schlägt er aus. Als das habsburgische Heer unter Prinz Eugen von Savoyen die bayerisch-französischen Truppen vernichtend schlägt, geht Max Emanuel in die Niederlande ins Exil. 1706 verhängt Kaiser Joseph I. über ihn die Reichsacht.

Therese Kunigunde, die 1704 zusammen mit ihren in der Zwischenzeit geborenen neun Kindern in München geblieben ist, erhält von Max Emanuel die Regentschaft mit der Entscheidungsbefugnis über sämtliche politischen und militärischen Angelegenheiten übertragen. In langwierigen Verhandlungen mit dem Kaiser muss sie etwa die Hälfte des kurbayerischen Territoriums abtreten und das bayerische Heer entlassen, behält aber die Aufsicht über die bayerischen Verwaltungsbezirke und deren administrative, juristische und finanzielle Angelegenheiten. Auch das Leben am Münchner Hof läuft wie gewohnt weiter. Als sie München im Februar 1705 verlässt um sich in Venedig mit ihrer verwitweten Mutter über die künftige Regentschaft zu beraten, verweigert ihr der Kaiser die Rückkehr nach Bayern und zwingt sie bis 1714 in Venedig ins Exil. Während die vier ältesten Söhne unter Oberaufsicht des Kaisers in Klagenfurt und Graz erzogen werden, bleiben die (überlebenden) beiden jüngeren Söhne und die Tochter Maria Anna Karoline in München. Erst nach dem Frieden von Rastatt sieht sie ihren Mann und ihre Kinder im April 1715 in Schloss Lichtenberg in Landsberg am Lech wieder. Max Emanuel kehrt mit seiner Familie nach München zurück und nimmt die Regierungsgeschäfte wieder auf. Aus diesem Anlass erscheint in München die lateinische Festschrift „Fortitudo Leonina in utraque Fortuna Maximiliani Emmanuelis“ (siehe Historische Quellen), deren dritter Teil, „Theresiae Kunegundi, Regiae Polonorum Principi utriusque Bavariae duci, ac electrici, etc. etc. Heroinae in utraque fortuna constantissimae“ mit einem Titelkupfer nach Cosmas Damian Asam (1686-1739, Abbildung unten) auch über die Kurfürstin berichtet.

Max Emanuels Rückkehr nach München und seine zweite Regierungszeit in Bayern wird vom Ausgleich mit Kaiser Karl VI. bestimmt. Auf künstlerischen Gebiet erlebt München eine neue Blütezeit. Vor allem werden die 1704 eingestellten Arbeiten an Schloss Schleißheim und den dortigen Parkanlagen wieder aufgenommen und bis zum Tod des Kurfürsten am 16.2.1726 fortgeführt. Die öffentliche Wahrnehmung der Kurfürstin Therese Kunigunde hat sich durch ihr Exil und die kaiserliche Zwangsverwaltung, die als Rechtsbruch aufgefasst werden, gewandelt. Ihr Schicksal „wird als Aufopferung für das Wohl des Kurfürstentums verstanden“ (Kägler, 2009). Das nach ihrer Rückkehr nach München von Joseph Vivien (1657-1734) geschaffene Ganzfigurenporträt (Abbildung unten) zeigt sie jetzt in klassischer Herrschaftspose, mit hermelinbesetztem Mantel und der auf der Krone liegenden rechten Hand. Sie wird zunehmend auch unabhängig von ihrem Mann gewürdigt, investiert gewinnbringend in Bergwerksprojekte und errichtet kirchliche und soziale Stiftungen. 1715 gründet sie in München das Servitinnen-Kloster im Herzogspital St. Elisabeth. Nach dem Tod des Kurfürsten und dem Regierungsantritt ihres ältesten Sohnes Karl Albrecht  (1697-1745, ab 1742 Kaiser Karl VII.) zieht sie sich als vermögende Witwe nach Venedig zurück. Sie stirbt dort am 10. März 1730 und wird in der Wittelsbacher Fürstengruft in der Münchner Theatinerkirche bestattet.

 

Axel Feuß, Dezember 2021

 

Historische Quellen:

Fortitudo Leonina in utraque fortuna Maximiliani Emmanuelis ... : secundum heroica majorum suorum exempla Herculeis laboribus repraesentata, eidemque post felicissimum suum, suorúmque in patriam reditum demississimè D.D.D. ab Universa Societatis Jesu per Superiorem Germaniam provincia : anno MDCCXV, München: Johannes Jäcklin, 1715; Online-Ressource: https://archive.org/details/gri_33125009081536/page/n370/mode/1up?q=Theresia

 

Literatur:

Claudia von Kruedener: Kurfürstin Therese Kunigunde von Bayern (1676-1730) und ihre Friedenspolitik in europäischen Dimensionen zwischen Papst und Kaiser (Dissertation Universität Bayreuth), Regensburg 2020

Nina Kozlowski / Ewa Krasińska-Klaputh / Aleksander Menhard: Bayerische Löwen – Polnische Adler. Auf gemeinsamen historischen Spuren, München 2008

Reginald de Schryver: Princess Teresa Kunegunda Sobieska. 1676-1730. Thirty-five years of solitude, in: For East is East. Liber amicorum Wojciech Skalmowski, herausgegeben von Tatjana Soldatjenkova (Orientalia Lovaniensia analecta, 126), Leuven 2003, Seite 165-180

Michał Komaszyński: Piękna królowa Maria Kazimiera d'Arquien-Sobieska 1641-1716, Krakau 1995

Michał Komaszyński: Die politische Rolle der bayerischen Kurfürstin Theresia Kunigunde, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, 45, München 1982, 555-574

Michał Komaszyński: Teresa Kunegunda Sobieska, Warschau 1982

Wilhelm Volkert: Regierung und Verwaltung Kurbayerns im Zeitalter des Kurfürsten Max Emanuel, Kurfürst Max Emanuel, herausgegeben von Hubert Glaser, Bd. 1, München 1976, Seite 417-427

Kajetan Czarkowski-Golejewski: Die Kurfürstin Therese Kunigunde, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, 37, München 1974, Seite 845-870

 

Online:

Britta Kägler : Weibliche Regentschaft in Krisenzeiten. Zur Interimsregierung der bayerischen Kurfürstin Therese Kunigunde (1704/05) , auf: zeitenblicke 8, Nr. 2, [30.06.2009], http://www.zeitenblicke.de/2009/2/kaegler/index_html

Britta Kägler: Therese Kunigunde, in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 102-104 [Online-Version], https://www.deutsche-biographie.de/sfz60559.html

Ludwig Hüttl: Maximilian II. Emanuel, in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 480-485 [Online-Version], https://www.deutsche-biographie.de/sfz59368.html#ndbcontent

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Mediathek
  • Maria Kazimira Sobieska mit ihrer Tochter Teresa Kunegunda, um 1690

    Jerzy Siemiginowski-Eleuter (1660-1711, zugeschrieben): Maria Kazimira Sobieska mit ihrer Tochter Teresa Kunegunda
  • Kurfürst Max Emanuel von Bayern, 1719

    Joseph Vivien (1657-1734): Kurfürst Max Emanuel von Bayern in voller Rüstung, 1719. Öl auf Leinwand, 236 x 176 cm
  • Kurfürstin Therese Kunigunde, um 1719

    Joseph Vivien (1657-1734): Kurfürstin Therese Kunigunde, um 1719. Öl auf Leinwand, 235 x 169 cm
  • Therese Kunigunde als Venus, 1699

    Martin Maingaud (†1725): Kurfürstin Therese Kunigunde als Venus mit Amor und zwei turtelnden Tauben, um 1699. Öl auf Leinwand, 200 x 136 cm
  • Therese Kunigunde als Penelope, 1715

    Johann Jacob Kleinschmidt (1687-1772) nach Cosmas Damian Asam (1686-1739): Therese Kunigunde als Penelope, 1715. Kupferstich, 40,5 x 27 cm