Kollegialität und Solidarität bei Opel in Bochum. Erinnerungen von Bochumer Opelanern mit transnationalem Hintergrund

Verwaltungsgebäude Werk I, Bochum
Verwaltungsgebäude Werk I, Bochum

Fazit

Die Erinnerungen der ehemaligen Bochumer Opelaner mit transnationalen, deutsch-polnischen Wurzeln lassen zwei Schlussfolgerungen zu:

  1. Opel Bochum lässt sich über fünf Jahrzehnte als transnationales, soziales Feld charakterisieren. Die nationale Herkunft der Beschäftigten spielte für die Herausbildung von Zusammenarbeit, Kollegialität und Solidarität unter den vielen Tausenden eine sehr untergeordnete Rolle. Ob Deutscher, Pole, Spanier oder Türke, Christ, Moslem, Frau oder Mann; zuallererst die Arbeitsorganisation in der Massenproduktion an den Fließbändern fügte die Arbeiterinnen und Arbeiter täglich, Tag und Nacht immer wieder zusammen und schuf die Grundlage für kooperative Arbeitszusammenhänge, für das Erleben täglicher Solidarität und für die Konfliktlösung untereinander. Die Organisation des Großbetriebes mit einem hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad förderte bis weit in die 1990er Jahre hinein die Gestaltung sehr stabiler Beschäftigungs- und Einkommensbedingungen. Das gemeinsame Ziel der Bochumer Opelaner*innen war es, diese stabilen sozialen Bedingungen für ein möglichst sorgenfreies Leben ihrer Familien und für das Fortkommen ihrer Kinder aufrechtzuerhalten und sich dafür auch betriebs- und gewerkschaftspolitisch zu engagieren. Somit war über fünf Jahrzehnte die Organisation des Großbetriebes Opel für die Beschäftigten als Opelaner*innen wesentlich identitätsstiftender als ihre deutsch-polnisch geprägte Lebensgeschichte.

 

  1. Diese nahezu Bedeutungslosigkeit der nationalen Herkunft der Opelaner*innen für die Entwicklung einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wurde insbesondere im Kontext der offenen Standortkonkurrenz mit dem neuen Opel-Standort in Gliwice durch die Gespräche mit den Bochumer Opelaner*innen unterstrichen. Währenddessen das Opel-Management mit der Strategie der Standortwettbewerbe („beauty contests“) um Produktionskapazitäten die Beschäftigten der europäischen Standorte gegeneinander ausspielte und die Bochumer Werke seit dem Jahr 2004 mit mehreren Schließungsankündigungen unter Druck setzte, sollte mit dem Projekt „Arbeitnehmersolidarität von unten“ eine Brücke der Solidarität zwischen den Opelaner*innen in Bochum und Gliwice aufgebaut werden. Die mit den gegenseitigen Besuchen im Jahr 2007 verbundene Hoffnung, dass gerade eine gemeinsame oberschlesische Herkunft von Beschäftigten aus den beiden Standorten es erleichtern würde, eine grenzüberschreitende Solidarität herzustellen, wich der Erfahrung, dass jeder Betrieb mit seinen Beschäftigten seinen eigenen Kampf ums Überleben führte, den die Bochumer Beschäftigten im Jahr 2014 verloren. Schließlich ist es allerdings bemerkenswert, dass die Bochumer Opelaner*innen mit oberschlesischer Herkunft nach der Betriebsschließung sogar Verständnis für die Haltung ihrer Kollegen in Gliwice zeigten.

 

Jennifer Müller / Manfred Wannöffel[2], März 2021

 

[2] Jennifer Müller, B.A. in Allgemeiner Rhetorik und Internationale Literaturen; Manfred Wannöffel, Prof. Dr., Hochschullehrer an der Ruhr-Universität Bochum.

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  • Werbeanzeige der Adam Opel AG, 1962

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