Polnische Familiennamen in Deutschland

Wiesław Smętek, Nowak, Illustration zum Text von Marek Firlej, 2023
Wiesław Smętek, Nowak, Illustration zum Text von Marek Firlej, 2023

Wie kamen die polnischen Namen nach Deutschland?

Die erste von drei Wellen der Einwanderung ist die nach den Teilungen Polens (1772–1795). Damals wurden viele Menschen auf ehemals polnischem Gebiet zu preußischen und später zu deutschen Staatsbürger:innen. Andere verließen ihr Heimatgebiet, viele nach Frankreich, aber einige auch in andere deutsche Staaten. Die zweite Immigrationsphase erfolgte im Zuge der Industrialisierung Deutschlands ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit kamen bis zu zwei Millionen Menschen (die Quellen sind da uneins) in die wachsenden Industriezentren an Spree, Saar, Rhein und Ruhr. In letztgenanntem Gebiet setzte sich sogar die Bezeichnung „Ruhrpolen“ durch. Sie kamen aus den preußischen Ostprovinzen Masuren und Ermland, aus Schlesien, dem Posener Land und auch aus Kongresspolen, dem russischen Vasallenstaat um Warschau herum. Die dritte Einwanderungswelle erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg und nach 1989, als viele Menschen aus wirtschaftlichen und politischen Gründen, zum Teil als (Spät-)Aussiedler:innen, das Land verließen.

Obwohl rund zwei Drittel der Ruhrpol:innen nach 1918 Deutschland wieder verlassen haben (entweder in den neugegründeten polnischen Staat oder in die belgischen und französischen Kohlegebiete), prägen sie die Nachnamenlandschaft des Ruhrgebiets noch heute – und auch die (Pop-)Kultur: Der genannte Kommissar Schimanski, Ausdrücke wie „Mein lieber Kokoschinski“, Emil „Ämmil“ Cervinski aus den „Kumpel Anton“-Geschichten von Wilhelm Herbert Koch oder der Ernst-Kuzorra-Platz in Gelsenkirchen zeugen davon. Doch es gibt auch Familien mit polnischen Wurzeln, die nicht am Nachnamen zu erkennen sind. Die Wichmanns, Dombrücks und auch viele Meiers können mal Wichrowski, Dąbrowski oder Majchrzak geheißen haben.

 

Namensänderungen zwischen Diskriminierungsvermeidung und Identifikation mit Deutschland

Dabei ist die Frage zu klären, wer „die Polen“ um 1900 denn waren. Viele der Menschen, die aus den preußischen Ostgebieten kamen, verstanden sich nämlich gar nicht als Pol:innen, sondern als Preuß:innen, als Deutsche. Schließlich waren sie, anders als die katholischen Pol:innen, evangelisch, und sie sprachen eine eigene Mundart. Diese konnten die Deutschen allerdings nicht von anderen polnischen Varietäten unterscheiden, und so wurden die Masur:innen und Ermländer:innen wie die anderen Zugezogenen aus dem Osten diskriminiert und „Polacken“ genannt (nach der neutralen Eigenbezeichnung „polak“ für Pole). Es sind vor allem diese Immigrant:innen, die am ehesten auch nach den 1920er Jahren geblieben sind. Daher wollten sie möglichst der Diskriminierung entgehen und sich assimilieren. Ein Mittel dafür war die Eindeutschung der Familiennamen.

Der deutsche Staat unterstützte diese Assimilationsbestrebungen. Vielerorts wird ein Dokument des Innenministeriums aus dem Jahr 1901 zitiert; demnach sei „bei der Eindeutschung polnischer Namen großzügig zu verfahren. [Der Innenminister] hofft, dass Namensänderungen der gedachten Art, welche die Verschmelzung des polnischen Elements mit dem deutschen zu fördern geeignet sind, von Seiten der Behörden jede Unterstützung und Erleichterung erfahren werden.“[1] Für die Zeit 1880 bis 1935 lassen sich allein im Ruhrgebiet 30.000 Anträge auf die Eindeutschung slawischer Namen nachweisen. Schon 1937 wurde aber auch geschätzt, dass „heute schon gut jeder vierte von den ostdeutschen Zuwanderern oder deren Nachkommen an Stelle des ursprünglich slawischen einen deutschen Familiennamen trägt.“[2]

Wie genau die Namen eingedeutscht wurden, war höchst unterschiedlich. Die Mittel der Wahl reichen von Anpassung der Schreibweise bis hin zu Übersetzung. Im Folgenden veranschaulichen Beispiele die unterschiedlichen Verfahren.

 

Wie wurden die Namen angepasst?

Anpassung der Schreibweise

Die polnische Sprache verfügt über einige Laute, die die deutsche nicht hat, und das polnische Alphabet enthält einige Buchstaben und Buchstabenkombinationen, die im Deutschen nicht vorkommen.

Die einfachste Methode der Verdeutschung ist daher, die diakritischen Zeichen loszuwerden.

Zając -> Zajac

Szymański -> Szymanski

Kałuża -> Kaluza

Damit geht allerdings eine zum Teil eklatante Veränderung der Aussprache des Namens einher. So wird Zając eigentlich [zajɔnts] ausgesprochen, grob auf Deutsch: Sajonts, mit einem weichen s wie in Suppe. Bei Zajac aber ist die Aussprache [tsajak] üblich. Kałuża wird ursprünglich [kawuʒa] ausgesprochen; der Buchstabe ł steht für denselben Laut wie das engl. w in water, und das ż für denselben Laut wie das J in Journalist.

 

[1] Zitiert nach: Neue Namen für polnische Arbeitsmigranten. Aus Majcrzak wird Mayer, in: Kulturbetrieb Mülheim an der Ruhr (Hrsg.): Das Gesicht der Migration in Mühlheim an der Ruhr zeigen, 16.08.2010, URL: https://web.archive.org/web/20170812103224/https://www.muelheim-ruhr.de/cms/neue_namen_fuer_polnische_arbeitsmigranten_aus_majcrzak_wird_mayer.html (zuletzt aufgerufen am 07.06.2023).

[2] Franke, Eberhard: Das Ruhrgebiet und Ostpreußen. Geschichte, Umfang und Bedeutung der Ostpreußeneinwanderung, Essen 1936. Zitiert nach: Menge, Heinz: Namensänderungen slawischer Familiennamen im Ruhrgebiet, in: Niederdeutsches Wort. Beiträge zur niederdeutschen Philologie 40 (2000), S. 119–132, hier 124.

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