Dorota Danielewicz – Kulturmanagerin, Slawistin, Schriftstellerin und Journalistin

Dorota Danielewicz, Porträt um 1998, im Łazienki-Park, Warschau, Copyright: Renate von Mangold
Dorota Danielewicz, Porträt um 1998, im Łazienki-Park, Warschau

Die eigene Stimme beim Schreiben
 

Dorota Danielewicz hat dem Thema Berlin auch ihr Buch „Auf der Suche nach der Seele Berlins“ (Berlin. Przewodnik po duszy miasta) gewidmet, das im Jahr 2013 erschienen ist[21]. „Ich hatte das dringende Bedürfnis, mich mit meiner eigenen Stimme zu äußern. In gewisser Weise ist das auch eine Zusammenfassung meiner Emigration. Deshalb habe ich das Buch symbolisch meinen Eltern gewidmet“, erklärt die Autorin im Gespräch mit „Porta Polonica“. „Es ist eine wunderbare, einfühlsam geschriebene Erzählung über Berlin, seine Straßen, Plätze und Parks“, so empfiehlt Olga Tokarczuk das Buch im Klappentext der polnischen Ausgabe. „Bei einem gemütlichen Spaziergang lernt man aber vor allem die Berliner:innen kennen, dieses eigentümliche, multiethnische Volk, das Berlin zum Mitteleuropa im Kleinformat macht, mit seiner schwierigen, komplizierten Geschichte und seinem enormen, ungebremsten schöpferischen Potenzial“, unterstreicht die spätere Nobelpreisträgerin. In Polen wird Berlin. Przewodnik po duszy miasta in zwei Ausgaben erscheinen. Der zweite Band in der renommierten Reihe „Poruszyć świat” des Verlags WAB erscheint im Jahr 2015. Das Buch wird sehr gut aufgenommen. Szymon Hołownia (Sejm-Marschall der Republik Polen für die Legislaturperiode 2023–25), von der Monatszeitschrift „Pani“ nach den wichtigsten Lektüren des Jahres 2013 gefragt, nennt damals „Auf der Suche nach der Seele Berlins“ als das beste Buch, das er damals gelesen hat. Das Buch findet bald einen deutschen Verlag, den Europa Verlag, der auch alle weiteren literarischen Veröffentlichungen von Dorota Danielewicz bis heute herausgibt. „Christian Strasser vom Europa Verlag ist ein Verleger, der sich engagiert und Risiken eingeht. Dafür bin ich ihm sehr dankbar“, unterstreicht die Autorin. Die deutsche Ausgabe ist übersetzt von Arkadiusz Szczepański[22]. Es ist mit Blick auf die deutsche Leserschaft entwickelt und redigiert worden und enthält daher alternativ völlig neue Texte, die von Dorota auf Deutsch verfasst sind. Das erste Kapitel ist anders, es gibt zusätzliche Kapitel im Text über die Gegenwart, Anekdoten aus der Umgebung um den Markusplatz, wo die Autorin seit fast 30 Jahren mit ihrer Familie lebt.

Die Bücher von Dorota Danielewicz sind emotional sehr aufgeladen und enthalten oft autobiografische Elemente[23]. Besonders deutlich wird dies im Buch „Jans Weg“. Den Anstoß zum Schreiben gab ein Streik von Müttern behinderter Kinder im Parlament (Sejm) in Warschau im Jahr 2018. Als Mutter eines unheilbar kranken Kindes mit progressiver Gangliosidose, die das Gehirn zerstört und die motorischen Fähigkeiten beeinträchtigt, beschloss Danielewicz, ihre Stimme zu erheben. „Jans Weg“ ist eine ergreifende Geschichte über die Gefühle einer Mutter, die wie in einem Atemzug niedergeschrieben wirkt. Es ist auch eine Geschichte von Verlust und Leid. Aber auch ein Buch, das Hoffnung macht. Es zeigt auf, wie man mit einer solchen Belastung wie der schweren Beeinträchtigung eines Kindes umgeht und wie man einen Weg zum Durchhalten findet[24]. Die Autorin ruft zu einer Revolution der Empathie auf. Sowohl die zuerst erschienende polnische als auch die deutsche Ausgabe von „Jans Weg“ haben großes Interesse geweckt. Das Buch wurde in Polen unter anderem im Sommer 2020 in Kazimierz Dolny an der Weichsel im Rahmen des Festivals „Dwa Brzegi“ (Zwei Ufer) bei einer Veranstaltung mit dem damaligen Beauftragten für Bürgerrechte, Prof. Adam Bodnar, heute Justizminister der Republik Polen, vorgestellt.

In dem 2022 erschienenen Buch „Der weisse Gesang. Die mutigen Frauen der belarussischen Revolution“ zeichnet Dorota Danielewicz ergreifende Porträts von belarussischen politischen Emigrantinnen[25]. Von Frauen, die sich aktiv an den Protesten in Belarus nach den fragwürdigen Wahlen im August 2020 beteiligt haben. Viele von ihnen kamen ins Gefängnis. Die Heldinnen von „Der weisse Gesang“ mussten vor den Repressionen nach Polen oder Litauen fliehen. Das Buch wurde in deutscher Sprache verfasst und veröffentlicht.

 

Audioguides und gesellschaftliches Engagement
 

In den letzten Jahren engagierte sich Danielewicz verstärkt gesellschaftlich. Die Publizistin und Schriftstellerin unterstützt besonders die Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin, in der sie seit November 2021 förderndes Mitglied für Fragen der zeitgenössischen polnischen Literatur ist. Seit 2010 ist Danielewicz Juryvorsitzende des deutsch-polnischen Lyrikwettbewerbs für Jugendliche „Młodzież pisze wiersze. Jugend schreibt Gedichte“, der von der Vereinigung „POLin Polnische Frauen in Wirtschaft und Kultur e.V.“ in Berlin organisiert wird. 2018 wurde Dorota Danielewicz auch Jurymitglied der neunten Ausgabe des renommierten internationalen Ryszard-Kapuściński-Preises, der er in Warschau für das beste literarische Reportagebuch verliehen wird. Sie brachte in die Jury eine Perspektive von außen ein. Von 2010 bis 2016 war Danielewicz Mitglied einer vom Staatssekretär für Kultur des Berliner Senats berufenen Jury zur „Förderung interkultureller Projektarbeit“.

Während der Regierungszeit der PiS-Partei in Polen von 2015 bis 2023 beteiligte sich Dorota Danielewicz aktiv an Protesten in Berlin zur Verteidigung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie der Frauenrechte in Polen.

Seit 2024 engagiert sich Danielewicz in der Arbeitsgruppe Kulturwandel der Berliner Genossenschaft Cooperative Mensch für die Umsetzung der UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und Inklusion vom Jahr 2011.

Das Ende von Dorota Danielewiczs Arbeit beim RBB / Funkhaus Europa überschnitt sich mit dem Beginn ihrer Zusammenarbeit mit einem Audioguide-Unternehmen. Danielewicz ist hier an Übersetzungen und Textproduktionen beteiligt. Im Schloss Wawel, in Wieliczka, im Königlichen Łazienki-Park, im Schloss Charlottenburg, im Schloss Sanssouci in Potsdam, im Berliner Dom, im Schloss Meißen oder im Humboldt Forum in Berlin – überall dort ist ihre Stimme zu hören. Diese kommerziellen Aufträge ergänzen Danielewiczs Tätigkeitsspektrum perfekt. Und auch hier ist sie eine Vermittlerin, vor allem zwischen Polen und Deutschland. Durch die Vermittlung von Wissen trägt sie zum gegenseitigen Verständnis bei.

 

Joanna de Vincenz, Februar 2024

 

[21]   Dorota Danielewicz: Berlin. Przewodnik po duszy miasta. Grupa Wydawnicza Foksal, Warszawa 2013.

[22]   Dorota Danielewicz: Auf der Suche nach der Seele Berlins. Aus dem Polnischen von Arkadiusz Szczepański. Europa Verlag, Berlin 2014.

[23]   Cornelia Geißler: Dorota Danielewicz: „Diese Themen werden in der Männerwelt nicht gesehen“. Die Frauen von Belarus oder das Leben mit einem behinderten Kind: Es gehe ihr um Sorge und um Menschlichkeit, sagt die Berliner Autorin. Eine Begegnung, in: „Berliner Zeitung“ vom 5.11.2022. – https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/literatur/dorota-danielewicz-ich-habe-verstanden-dass-ich-nicht-nur-fuer-mich-schreibe-li.283056 (Zugriff: 23.02.2023).

[24]   Joanna de Vincenz: Empatia to droga życia. Rozmowa z Dorotą Danielewicz [Empathie ist eine Lebenseinstellung. Gespräch mit Dorota Danielewicz], in: „Deutsche Welle“ (Presseservice), 3.05.2020. – https://www.dw.com/pl/empatia-to-droga-życia-rozmowa-z-dorotą-danielewicz/a-53303665(Zugriff: 23.02.2023).

[25]   Dorota Danielewicz: Der weisse Gesang. Die mutigen Frauen der belarussischen Revolution. Europa Verlag, München 2022; Joanna de Vincenz: Dorota Danielewicz: białoruskie kobiety i ich biały śpiew [Dorota Danielewicz: Belarussische Frauen und ihr weißer Gesang], in: Deutsche Welle (Pressedienst), 19.06.2022. – https://www.dw.com/pl/dorota-danielewicz-białoruskie-kobiety-i-ich-biały-śpiew/a-62174833 (Zugriff: 23.02.2023).

Mediathek
  • Dorota Danielewicz-Kerski

    2022
  • Im Sitzungssaal der UN-Vollversammlung

    Hinterm Rednerpult, New York 1988
  • Ausstellung „Decolonization“ im UNO-Hauptquartier

    New York, 1988
  • Zu Hause, 1988

    Broadway / Ecke 97th Street, New York
  • Bei Jerzy Giedroyc

    Maisons-Laffitte bei Paris, 1991
  • Evangelische Akademie zu Berlin, 5.10.1995

    Dorota Danielewicz-Kerski, Leszek Szaruga, Lidia Herling-Croce, Gustaw Herling-Grudziński, Ludwig Mehlhorn (Direktor der Akademie), Agnieszka Grzybkowska und Basil Kerski
  • Mit Hanna Krall

    In NRW, 1996/1997
  • Dorota Danielewicz im Studio von Funkhaus Europa

    RBB Berlin, 1999
  • DAAD Berliner Künstlerprogramm

    Denis Scheck, Ryszard Kapuściński, Dorota (Danielewicz-)Kerski im Haus der Kulturen der Welt, Berlin 1999
  • Mit Czesław Miłosz

    Dorota Danielewicz-Kerski, Czesław Miłosz, N.N., Michael Krüger / LCB (Literarisches Colloquium Berlin), Mai 2000
  • In der DAAD Galerie über dem Café Einstein, Berlin 2002

    Henryk Bereska, N.N., Dorota Danielewicz-Kerski, N.N., Olga Tokarczuk, Lila Karbowska, N.N.
  • Mit dem Sohn auf dem Cover

    „Wysokie Obcasy” (Beilage zur „Gazeta Wyborcza”), Nr. 7 (1073) vom 15.02.2020
  • Mit Brygida Helbig

    Reihe „Lesen, was die Nachbarn schreiben” („Czytać, co piszą sąsiedzi”) in der Humboldt Bibliothek, Berlin-Tegel 2023