Jan Bresinski
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Jan Bresinski – Neue Wege zur Landschaftsmalerei
Von der Landschaft zur Fläche – von der Fläche zur Landschaft
Bresinski malte in seiner frühen Zeit gegenständlich und figürlich. Er interessierte sich für die Malerei der polnischen Kapisten/Kapiści, einer Gruppe junger Kunststudenten, die sich 1923 unter dem Namen Pariser Komitee/Komitet Paryski („KPści“) an der Krakauer Kunstakademie um ihren Lehrer Józef Pankiewicz (1866-1940) gebildet hatte. Die Gruppe ging im Jahr darauf nach Paris und führte in den folgenden Jahrzehnten den Kolorismus des französischen Post-Impressionismus in die polnische Kunst ein. Vor allem im Werk von Jan Cybis (1897-1972) hielt sich dieser Einfluss, nämlich die Konzentration auf die Farbe unter Vermeidung symbolischer oder politischer Bedeutungen, bis in die 1970er-Jahre. Besonderen Eindruck auf Bresinski machte Piotr Potworowski (1898-1962), der ebenfalls zu dieser Gruppe gehörte, während des Zweiten Weltkriegs über Schweden nach England ging und erst 1958 nach Polen zurückkehrte. Eine analytische Sicht auf die Natur führte Potworowski seit den 1950er-Jahren zu flächigen Gestaltungen, indem er aus real existierenden Landschaften nur die in ihnen vorkommenden Farben extrahierte und sich mit der Anordnung großer Farbflecken abstrakten Darstellungen annäherte. Im Bereich der figürlichen Malerei interessierte sich Bresinski für die School of London der 1970er-Jahre um R.B. Kitaj (1932-2007) und Francis Bacon (1909-1992).
Den Bruch mit den traditionellen gegenständlichen Darstellungsformen vollzog Bresinski, als er sich Ende der Achtzigerjahre radikal der abstrakten Kunst zuwandte. Seine von da an entstandenen „Farblandschaften“ (Abb. 1-8) zeigen den Einfluss des deutschen und internationalen Informel. Emil Schumacher (1912-1999) hatte seit Mitte der Fünfzigerjahre auf der Grundlage der abstrakten und gestischen Tendenzen aus Amerika und Paris eine abstrakte, flächige Malerei entwickelt, in der starke Farbkontraste in geradezu „geologischen“ Strukturen aufbrechende Erdkrusten und Eruptionen suggerierten. Gedeutet wurden diese Bilder als Seelenlandschaften. Sie behielten bis in die Neunzigerjahre ihre Strahlkraft. Die abstrakten Kompositionen des Spaniers Antoni Tàpies (1923-2012) schienen ebenfalls geologische Formationen oder prähistorische Siedlungsformen zu vermitteln. Reliefartige Malstrukturen, die Tàpies durch die Beimengung von Sand erzeugte, verstärkten den Eindruck tellurischer Landschaften. Die Verwendung plastischer Materialien wie Farbmasse, Kunststoff, Sand, Gips oder Papiermaché, vorbereitet durch Jean Fautrier (1898-1964), schließlich das Einführen von Verwundungen, Kratzern, Narben und Vernähungen in die Maloberflächen durch Alberto Burri (1915-1995), dann die immer stärkere plastische Gestaltung bei Bernard Schultze (1915-2005) führte die Künstler zu einer neuen Wertschätzung von Material und Natur.
Die bis 1993 entstandenen „Farblandschaften“ von Bresinski zeigen eine Konsolidierung dieser Entwicklung. Sie sind informelle, also abstrakte, nicht-geometrische Malerei, die sich rein in der Fläche entwickelt und durch Formwerdung in die Wirklichkeit tritt. Sie entfaltet ihre ästhetische Wirkung durch die Spannung zwischen Linie und Fläche, die Balance zwischen einzelnen Teilen der Komposition und durch die Brillanz der Farben, ihre Abstufungen und Kontraste. Gleichzeitig strahlen die gemalten Tafeln mit ihrem hohen Anteil an acrylgebundenen Pigmenten, die auf dem für die Zeit neuen Trägermaterial, der Mitteldichten Hartfaserplatte (MDF), reliefartig auf der Oberfläche stehen, eine besondere Faszination für das künstlerische Material aus. Sichtbar gelassene Spachtel- und Pinselspuren, mit dem Spachtel erzeugte und eingekratzte Kreuzschraffuren, plastisch aufgetrocknetes Acryl, geriefte Strukturen und durchlaufende plastische Grate zwischen den Farbflächen erhöhen die Ausstrahlung der künstlerischen Mittel. Diese plastischen Gliederungen erzeugen die Anmutung von Landschaften, die womöglich aus der Perspektive eines Flugzeugs in zehntausend Meter Höhe betrachtet werden. In ihnen sind Felder, Seen, Wüsten oder beschneite Flächen auszumachen, die von Straßen, Kanälen, Brücken oder Baumreihen unterteilt werden und in denen aufgrund der großen Höhe keine Menschen mehr zu sehen sind.
Durch die intensive Arbeit mit dem Material transformierte Bresinski also seine abstrakten Kompositionen in den Bereich des Realen, der Natur, und schuf Landschaftsbilder, in denen der Betrachter die Gegenwart des Menschen immerhin vermuten und sich aufgrund seiner eigenen Seh-Erfahrungen selbst verorten kann. Wie zahlreiche Künstler der verschiedenen abstrakten Genres seit den 1950er-Jahren, erwähnt seien hier Hans Hartung (1904-1989), Karl Otto Götz (1914-2017) oder Pierre Soulages (*1919), arbeitet Bresinski seitdem in Serien unter immer demselben Obertitel und nummeriert die Werke nach Jahreszahlen durch. Der Verzicht auf erzählerische Titel unterstreicht die Abkehr von der gegenständlich-figurativen Kunst und rückt das Durcharbeiten abstrakter Themen in Variationen und Reihen in den Vordergrund. Gleichwohl lässt Bresinski beim Obertitel „Farblandschaften“ einen Bezug zur realen, gegenständlichen Welt zu und nähert sich so den aus der Realität abstrahierten Landschaften von Potworowski wieder an. Im Jahr 2000 entstand ein weiteres Set von vier „Farblandschaften“ (Abb. 19-20), die – als Viererblock arrangiert – wie Einzelaufnahmen der Erdoberfläche erscheinen.