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Geschichten aus dem Berg – Schicksale polnischer Zwangsarbeitender an der Porta Westfalica 1944/45

Panoramaaufnahme der Porta Westfalica vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal aus

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  • Bild 1: Panoramaaufnahme der Porta Westfalica  - Panoramaaufnahme der Porta Westfalica vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal aus
  • Bild 2: Postkarte „Porta Westfalica“ - Postkarte „Porta Westfalica, Wittekindsberg mit Kaiser-Wilhelm-Denkmal“
  • Bild 3: Postkarte „Porta Westfalica“ - Postkarte „Porta Westfalica, Wittekindsberg mit Denkmal“
  •  Bild 4: Fest- und Theatersaal im Hotel Kaiserhof in den ausgehenden 1930er bzw. frühen 1940er Jahren - Fotografie des Fest- und Theatersaals im Hotel Kaiserhof in den ausgehenden 1930er bzw. frühen 1940er Jahren.
  • Bild 5: Fest- und Theatersaal im Hotel Kaiserhof in den ausgehenden 1930er bzw. frühen 1940er Jahren - Fotografie des Fest- und Theatersaals im Hotel Kaiserhof in den ausgehenden 1930er bzw. frühen 1940er Jahren.
  • Bild 8: Dachs I Treppe  - Fotografie Dachs I Treppe.
  • Bild 9: Dachs I-3 - Fotografie Dachs I-3.
  • Bild 9.1: Dachs I-3 - Fotografie Dachs I-3.
  • Bild 10: Abgesperrter Eingang Dachs I - Fotografie abgesperrter Eingang Dachs I.
  • Bild 10.1: Abgesperrter Eingang Dachs I - Fotografie abgesperrter Eingang Dachs I.
  • Bild 11: Hotel Kaiserhof (aktuell) - Fotografie des aktuellen Hotels Kaiserhof.
  • Bild 11.1: Hotel Kaiserhof (aktuell) - Fotografie des aktuellen Hotels Kaiserhof.
  • Bild 11.2: Hotel Kaiserhof (aktuell) - Fotografie des aktuellen Hotels Kaiserhof.
  • Bild 12: Grabstein „Hier ruhen unbekannte KZ-Häftlinge 1939-1945“ - Fotografie Grabstein „Hier ruhen unbekannte KZ-Häftlinge 1939-1945“
  • Bild 13: Mahnmal am Grünen Markt in Hausberge - Fotografie des Mahnmals am Grünen Markt in Hausberge.
  • Bild 14: Besuchergruppe Dachs I - Fotografie Dachs I Besuchergruppe.
Panoramaaufnahme der Porta Westfalica vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal aus
Panoramaaufnahme der Porta Westfalica vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal aus

Einleitung
 

Im nordöstlichen Teil Nordrhein-Westfalens befindet sich die malerische Stadt mit dem außergewöhnlichen, latinisierten Namen Porta Westfalica – eine direkte Anspielung auf die Lage des Ortes an der sogenannten „Westfälischen Pforte“, im Volksmund kurz als Porta bezeichnet. Im Stadtteil Barkhausen ragt das große Kaiser-Wilhelm-Denkmal, ein Wahrzeichen der Region, aus dem Wittekindsberg hervor und bietet einen atemberaubenden Ausblick auf den Durchbruch des Flusses Weser zwischen dem idyllischen Wiehen- und Wesergebirge (Bild 1 . ). Während ich bei meinem ersten Besuch in der Stadt im Herbst 2019 die Aussicht von der großen Ringterrasse des Denkmals genieße und meinen Blick über weitere Ortsteile Porta Westfalicas schweifen lasse, ist es nur schwer vorstellbar, dass hier inmitten der schönen Landschaft einst mehrere Tausend Menschen schwerste Zwangsarbeit für das NS-Regime leisten mussten: In den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges wurden die damals noch eigenständigen Gemeinden Barkhausen, Hausberge und Neesen des heutigen Porta Westfalicas als Außenlager-Standorte des Konzentrationslagers Neuengamme bei Hamburg genutzt. Ziel der Einrichtung gleich mehrerer Außenlager war ein groß angelegtes Rüstungsproduktionsvorhaben, an dem viele große Firmen, wie z. B. das niederländische Unternehmen Philips oder die hannoversche Ölraffinerie Deurag-Nerag, beteiligt waren. Das Erstaunen über die Lage der Produktionsstätten war auch bei den Zwangsarbeitenden groß. Der ehemalige polnische KZ-Häftling Wiesław Kielar erinnert sich an die Ankunft an der Porta folgendermaßen:

„Man lud uns auf dem Güterbahnhof eines kleinen Städtchens mit dem merkwürdigen Namen ‚Porta Westfalica‘[1] aus. Unser Erstaunen wurde noch größer, als wir dieses stille Städtchen sahen, das sich an beiden Ufern des Flusses an Gebirgshängen mit typischen Ferienhäusern ohne jegliche Spuren von Industrieobjekten hinzog. Wo waren denn hier die Philipswerke, in denen wir arbeiten sollten?“[2]

Dass die besagten Werke wie auch viele weitere für die NS-Kriegswirtschaft tätige Firmen unter der Erdoberfläche eingesetzt werden sollten, erfuhren die Zwangsarbeitenden erst vor Ort – die sogenannten „U-Verlagerungen“ wurden mit Decknamen versehen und strengstens geheim gehalten. Um kriegswichtige Rüstungsproduktionsstätten vor alliierten Bombenangriffen zu schützen, verlagerten die Nationalsozialisten diese nämlich ab 1943 auch unter Tage. Obwohl es in den Gebirgen an der Porta schon früher Sandsteinbrüche gegeben hat, mussten diese dennoch erst einmal in mühevoller Arbeit ausgebaut werden, bevor dort Fabriken für die Kriegs- und Rüstungswirtschaft einziehen konnten. Ein extrem aufwändiger Plan, der für seine Umsetzung vor allem eines erforderte: Arbeitskräfte. Nicht wenige ausländische Zwangsarbeitende mussten mit ihrem Leben bezahlen, doch die genaue Zahl der Todesopfer ist bis heute unbekannt.

Seit der Gründung der KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e. V. im Jahre 2009 erfährt nun das Gedenken an die ausgebeuteten Zwangsarbeitenden in der Region Konjunktur und hält damit wider dem Vergessen die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wach.

Wie stellte sich die U-Verlagerung an der Porta Westfalica dar? Welches Quellenmaterial und welche persönlichen Erinnerungen sind überliefert? Was waren die Arbeits- und Lebensbedingungen der KZ-Häftlinge, die an der Porta für Arbeiten unter der Erdoberfläche herangezogen wurden? In meiner wissenschaftlich-historischen Recherche begebe ich mich auf die Spuren der NS-Rüstungsproduktion und der Schicksale polnischer Zwangsarbeitender an der Porta Westfalica.

 

[1] Die Stadt Porta Westfalica entstand erst 1973 im Rahmen der kommunalen Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen. Der Autor verwendet an dieser Stelle die Bezeichnung Porta Westfalica vermutlich deshalb, weil diese für die Region am Weserdurchbruch bereits zu jener Zeit geläufig war.

[2] Kielar, Wiesław: Anus Mundi. Fünf Jahre Auschwitz, S. 369.