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Johannes a Lasco

Philips Galle (1537-1612): Joannes Alasco, 1567. Kupferstich, 17,7 x 12,5 cm, aus einer Folge von 36 Kupferstichen mit dem Titel „Virorum doctorum de disciplines benemerenium effigies“

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  • Abb. 1: Verteidigung gegen Menno Simons, 1545 - Johannes a Lasco/Jan Łaski: Defensio Verae semperque In Ecclesia Receptae Doctrinæ De Christi Domini incarnatione, Adversus Mennonem Simonis Anabaptistarum Doctorem, Bonn 1545
  • Abb. 2a: Kirchenordnung für London, 1555 - Johannes a Lasco/Jan Łaski: Forma ac ratio tota ecclesiastici Ministerii, in peregrinorum, potissimorum vero Germanorum Ecclesia instituta Londini in Anglia, Frankfurt am Main 1555, Titelblatt
  • Abb. 2b: Widmung an den polnischen König, 1555 - Johannes a Lasco/Jan Łaski: Forma ac ratio tota ecclesiastici Ministerii, in peregrinorum, potissimorum vero Germanorum Ecclesia instituta Londini in Anglia, Frankfurt am Main 1555, Seite 2 mit Widmung an den polnischen König Sigismund II. August
  • Abb. 3: Reinigungsschrift, 1556 - Johannes a Lasco/Jan Łaski: Purgatio ministrorum in ecclesiis peregrinorum Francofurti eorum calumnias, qui ipsorum doctrinam, de Christi Domini in Coena sua praesentia, dissensionis accusant ab Augustana confessione, Basel 1556
  • Abb. 4: Antwort auf Joachim Westphal, 1560 - Johannes a Lasco/Jan Łaski: Responsio ad uirule[n]tam, calumniisque Ac Mendaciis Consarcinatam hominis furiosi Ioachimi VVestphali Epistola[m] quandam, qua purgationem Ecclesiaru[m] Peregrinarum Francoforti conuellere conatur, Basel 1560
  • Abb. 5: Drei Briefe, 1556 - Johannes a Lasco/Jan Łaski: Epistolae tres lectu dignissimae, de recta et legitima ecclesiarum benè instituendarum ratione ac modo: ad Potentiss. Regem Poloniae, Senatum, reliquos[que] Ordines, Basel 1556
  • Abb. 6: Johannes a Lasco Bibliothek - Johannes a Lasco Bibliothek, Große Kirche, Emden (2017)
  • Abb. 7: Johannes a Lasco Bibliothek - Johannes a Lasco Bibliothek, Schriftzug, Emden (2017)
  • Abb. 8: Johannes a Lasco Bibliothek - Johannes a Lasco Bibliothek, Seitenansicht, Emden
  • Abb. 9: Von dem Schicksale des Johann a Lasco, 1758 - Ludvig Harboe/Christian Gottlob Mengel: Ludwig Harboe hochverordneten Bischoffs in Seeland Zuverläßige Nachrichten von dem Schicksale des Johann a Lasco und seiner aus England vertriebenen reformirten Gemeinde in Dänemark, Kopenhagen 1758
Philips Galle (1537-1612): Joannes Alasco, 1567.
Philips Galle (1537-1612): Joannes Alasco, 1567. Kupferstich, 17,7 x 12,5 cm, aus einer Folge von 36 Kupferstichen mit dem Titel „Virorum doctorum de disciplines benemerenium effigies“

Johannes a Lasco – Ein polnischer Reformator in Ostfriesland


Jan Łaski, dessen latinisierte Namensform Johannes a Lasco aus Dokumenten und Schriften seiner Zeit überliefert ist und sich in neuerer Zeit in Deutschland eingebürgert hat,[1] wird 1499 vermutlich in der heutigen Kreisstadt Łask, zwanzig Kilometer südwestlich von Łódź, in eine Familie des wohlhabenden und politisch einflussreichen polnischen Adels hinein geboren. Die Familie besitzt drei größere Orte, Łask, Stryków und Bolesławiec, und etwa vierzig Dörfer in verschiedenen Gegenden von Groß- und Kleinpolen. Der Vater Jarosław/Hieronymus wird 1511 Woiwode von Sieradz. Die Mutter, Zuzanna z Bąkowej Góry/Susanna von Bąkowa Góra, hat umfangreichen Besitz mit in die Ehe gebracht. Der ältere Onkel väterlicherseits, Andrzej, ist Geistlicher in Sieradz, Krakau, Posen und Gnesen und stirb 1512. Der jüngere Onkel, Jan Łaski (der Ältere, 1456-1531), wird 1501 Königlicher Sekretär, 1503 Großkanzler und 1510 Erzbischof von Gnesen und damit Primas der Kirche in Polen.[2]

Durch seine herausragende Stellung ist Jan Łaski der Ältere unter den Regentschaften der Könige Alexander/Aleksander Jagiellończyk (1461-1506) und Sigismund I./Zygmunt I Stary (1467-1548) an innenpolitischen Reformen und außenpolitischen Erfolgen wie der Durchsetzung der polnischen Lehnshoheit gegenüber dem Deutschen Orden oder der Heirat des Königs mit der italienischen Prinzessin Bona Sforza (1494-1557), aber auch an den Diskussionen über das Verhältnis Polens zur Erbfolge in Ungarn und zum Haus Habsburg beteiligt. Als Erzbischof nimmt er 1512-17 am Fünften Laterankonzil in Rom teil, beruft Provinzialsynoden ein und drängt erste Einflüsse der Reformation in Polen zurück.[3] Im Rahmen der Familie kümmert sich der Primas um alle Kinder seines Bruders Jarosław: Den drei Nichten ermöglicht er durch Mitgiften die Heiraten mit adligen Herren. Seine Neffen Jarosław/Hieronymus (*1496), Jan/Johannes und Stanisław (*1501) holt er zu sich an seinen Hof nach Krakau, wo er ihnen eine umfangreiche humanistische Erziehung angedeihen lässt. Während des römischen Laterankonzils lässt der Primas alle drei Neffen ab 1513 an den Universitäten in Rom, Bologna und Padua studieren.

Johannes bleibt von seinem 14. Lebensjahr an sechs Jahre in Italien. Noch während dieser Zeit verschafft der Onkel ihm in Polen kirchliche Pfründen, also geistliche Ämter und Titel mit mehr als ausreichenden Einkünften, unter anderem in Gnesen und Krakau. Als er im Frühjahr 1519 nach Polen zurückkehrt, ist er nicht nur finanziell abgesichert, sondern durch Herkunft und Ausbildung für höchste kirchliche und weltliche Ämter und Ehren vorbestimmt. 1521 wird er zum Priester geweiht, zum Dekan von Gnesen gewählt und zum königlichen Sekretär ernannt.[4]

Hieronymus, der ältere Bruder, wird schon in jungen Jahren mit königlichen Aufträgen und in diplomatischer Mission auf Auslandsreisen geschickt. 1520/21 begibt er sich zusammen mit einer polnischen Delegation zur Krönungsfeier Kaiser Karls V. (1500-1558) nach Aachen und begegnet während dieser Reise zweimal, in Köln und in Brüssel, dem Humanisten, Augustiner-Chorherrn und Priester Erasmus von Rotterdam (1466/69-1536). Dessen Schriften werden in Polen schon seit 1518 vor allem in Krakau gedruckt und genießen dort hohes Ansehen. Im Januar 1524 wird Hieronymus an den französischen Hof nach Paris gesandt und von Johannes und Stanisław begleitet. Die Łaski-Brüder reisen über die Schweiz, treffen in Zürich den Reformator Ulrich Zwingli (1484-1531) und besuchen Erasmus in dessen Anwesen in Basel. Johannes wird später, 1544, sagen, Erasmus habe ihn dazu gebracht, „dass ich mich den religiösen Dingen zuwandte, ja, er hat als Erster angefangen, mich in der wahren Religion zu unterrichten“. 

 

[1] Deutsche Lexika verwenden auch andere Namensformen wie Johannes Laski (Allgemeine Deutsche Biographie, 1883; Neue deutsche Biographie, 1982) oder Jan Laski (Theologische Realenzyklopädie, 1990; Religion in Geschichte und Gegenwart, 2002). Im angelsächsischen Sprachraum sind Jan Laski (Encyclopædia Britannica), John Laski, John a Lasco, Johannes Alasco, in Frankreich Jean de Lasco gebräuchlich.

[2] Henning P. Jürgens 2002 (siehe Literaturliste 3.), Seite 19-22

[3] Ebenda, Seite 22 -26

[4] Ebenda, Seite 26-32

In Paris trennen sich die Wege der Łaski-Brüder. Hieronymus reist im September erneut über Basel zurück nach Polen und nimmt Briefe an den polnischen König mit, in denen Erasmus sich kritisch über den deutschen Reformator Martin Luther (1483-1546) äußert. Johannes macht sich erst im Frühjahr 1525 auf den Weg zurück nach Polen, sucht erneut Erasmus in Basel auf, quartiert sich zur Miete in dessen umfangreichem Gebäudekomplex ein und bleibt für ein halbes Jahr. Briefe belegen, dass Erasmus und Johannes a Lasco viel Zeit miteinander verbracht haben, a Lasco wohl die gemeinsame Haushaltsführung bezahlt hat, sie die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen und dabei Gespräche über theologische und politische Fragen geführt haben.[5]

Die Themen, die zwischen Erasmus und a Lasco erörtert worden sind, haben sicherlich den Dissens über die Abendmahlstheologie zwischen den Schweizer Reformatoren und Luther beinhaltet, das Verhältnis von Obrigkeit und Kirche, den Bauernkrieg ebenso wie die Verhältnisse in Polen. 1524 hat Erasmus in seiner Schrift „De libero arbitrio“ (Über den freien Willen) Stellung gegen Luther bezogen. Noch während a Lascos Aufenthalt in Basel erscheinen Reaktionen darauf, bald nach seiner Abreise kommt Luthers Gegenschrift „De servo arbitrio“ (Über den unfreien Willen) heraus, über deren Wirkung sich a Lasco, zurück in Polen, weiterhin auf dem Laufenden halten wird. Persönlich berichtet er Erasmus über die humanistischen Kreise in Polen und empfiehlt ihm erfolgreich, hohen polnischen Beamten, Klerikern und dem polnischen König Schriften und Briefe zukommen zu lassen. Auch zu anderen Humanisten wie dem Juristen Bonifacius Amerbach (1495-1562), dem Universalgelehrten Heinrich Glarean (1488-1563) und dem Philologen Beatus Rhenanus (1485-1547) pflegt a Lasco freundschaftlichen Kontakt, unterstützt sie mäzenatisch und widmet ihnen später Schriften.[6]

Gegenüber Erasmus entschließt sich a Lasco zu einer weiteren, vertraglich vereinbarten mäzenatischen Großtat: Er erwirbt dessen Bibliothek einschließlich aller noch hinzukommenden Bücher zu einem Gegenwert von 400 Goldgulden, überlässt Erasmus aber die Bücher bis zu dessen Lebensende zur vollen Nutzung. Die Hälfte dieses Betrags, der drei bis vier Jahresgehältern eines Professors entspricht, zahlt a Lasco sofort. Ausgeschlossen bleibt ein Konvolut von griechischen Handschriften. Die verbleibende Summe wird a Lasco erst 1536 nach dem Ableben von Erasmus an die Nachlassverwalter zahlen, woraufhin ihm die Bibliothek nach Krakau geliefert werden wird. Zwei Jahre später wird er auch die noch verbliebenen Handschriften erwerben.[7]

Auf Wunsch seines Onkels oder auf Anordnung des polnischen Königs kehrt a Lasco im Frühjahr 1526 nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Italien nach Polen zurück. In Krakau nimmt er seine Tätigkeit als königlicher Sekretär wieder auf und wird noch im selben Jahr zum Propst von Gnesen ernannt. Im Dienst des Königs nimmt er an den Parlamentssitzungen von Senat und Sejm teil. Zu seinen Aufgaben als Dompropst gehört die Organisation von Bischofssynoden, von denen sich jene von 1527 unter der Leitung des Primas unter anderem mit der Bekämpfung der lutherischen Einflüsse aus Deutschland beschäftigt. Daneben befasst sich a Lasco mit humanistischen Studien, fördert diese an der Krakauer Universität, unterstützt Professoren und Studenten finanziell und beschäftigt Buchhändler und Kuriere, die für ihn Bücher und Handschriften bis aus Russland besorgen. Im Kreis der polnischen Humanisten besitzt er durch seine enge Verbindung zu Erasmus hohes Ansehen und steht mit Gelehrten, durch seine offiziellen Aufgaben natürlich auch mit Politikern und Kirchenleuten in engem Kontakt.[8] Ein Buch aus seinem Besitz, eine Bibelkonkordanz von 1526 in der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden, belegt mit ihrem prächtigen, mit Monogramm und Familienwappen geschmückten Einband[9] nicht nur sein ausgeprägtes bibliophiles Interesse, sondern strahlt, so Henning P. Jürgens, „das Selbstbewusstsein aus, das a Lasco damals hatte: Er war ein reicher, begabter, gebildeter junger Mann in aussichtsreicher Position, mit besten Kontakten und der Perspektive auf eine Karriere bis hinein in die höchsten Ämter der polnischen Gesellschaft.“[10]

 

[5] Ebenda, Seite 46-53

[6] Ebenda, Seite 53-61

[7] Ebenda, Seite 61-71

[8] Henning P. Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 1.), Seite 12 f.

[9] Concordantiae maiores sacrae Bibliae, Straßburg 1526; Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 2.), Seite 138 f.

[10] Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 1.), Seite 14

Doch der Bruch in Biographie und Karriere von a Lasco kündigt sich bereits an. 1527 schaltet sich sein Bruder Hieronymus in die Nachfolge des nach der Schlacht bei Mohács gegen die Türken gestorbenen ungarischen Königs Ludwig II./Ludwik II Jagiellończyk ein. Gegen den Willen des polnischen Königs tritt Hieronymus in die Dienste des ungarischen Adligen und Woiwoden von Siebenbürgen, Johann Zápolya (1487-1540), der ebenso wie der Habsburger Ferdinand von Österreich (1503-1564) Anspruch auf die Krone erhebt. Nach erfolglosen diplomatischen Missionen in England und Frankreich reist Hieronymus nach Konstantinopel, um Sultan Süleyman I. um militärische Unterstützung gegen Habsburg zu bitten, und zieht schließlich 1528 als dessen Heerführer mit türkischen Truppen nach Ungarn. Auch die übrigen Mitglieder der Familie Łaski werden in den Konflikt hineingezogen: Stanisław unterstützt seinen Bruder als Diplomat und Heerführer. Johannes a Lasco nimmt 1530 bei Friedensverhandlungen in Posen zwischen Süleyman und Ferdinand als Mitglied der Delegation von Zápolya teil und tritt später als dessen Unterhändler bei König Sigismund auf. Als der Primas 1531 stirbt, wird a Lasco offenbar aufgrund seines Engagements für Zápolya, das der Annäherung des polnischen Königs an Habsburg zuwiderläuft, nicht als Nachfolger des Onkels auf das Bischofsamt in Betracht gezogen.

Hieronymus, der sich von seinen Unternehmungen in Ungarn eine eigene Machtposition im Nachbarland erhofft hat, wird im Sommer 1534 nach jahrelangen Intrigen und nach Zerwürfnissen mit den Türken durch Zápolya gefangen gesetzt. Es dauert bis zum Frühjahr 1535, bis Johannes ihn nach Interventionen bei den Königen von Polen, Frankreich, England und bei Sultan Süleyman mithilfe einer hochrangigen polnischen Delegation unter der Leitung des obersten polnischen Heerführers, Jan Amor Tarnowski (1488-1561), freibekommt. Schließlich leitet a Lasco in Geheimverhandlungen mit Habsburg den Seitenwechsel der Familie Łaski zu den Österreichern ein, der in Polen politisch opportun erscheint, ihm das gewünschte Bischofamt jedoch auch nicht einbringen wird.[11]

A Lasco zieht sich, durch die ungarischen Abenteuer finanziell ruiniert und ohne Aussicht, seine Karriere wieder aufnehmen zu können, auf einen Landsitz der Familie, Rytwiany bei Staszów auf halbem Weg zwischen Krakau und Lublin, zurück. Er widmet sich wieder seinen fast zehn Jahre unterbrochenen humanistischen Studien und nimmt den Kontakt zu Erasmus wieder auf, der aber im Juli 1536 stirbt. Im April des folgenden Jahres nimmt a Lasco in Krakau dessen in drei Fässern verpackte Bibliothek in Empfang. Nur wenige Tage später macht er sich auf den Weg nach Westen. Über Breslau und Dresden reist er nach Leipzig, wo er mit dem Humanisten und in Wittenberg lehrenden lutherischen Theologen Philipp Melanchthon (1497-1560) zusammentrifft, mit dem er schon vorher in Kontakt gestanden hat und mit dem er bis zu beider Lebensende im Jahr 1560 in Verbindung bleiben wird.

Mit einem Sendschreiben von Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen ausgestattet, welches gefahrloses Reisen ermöglicht, reist a Lasco weiter nach Frankfurt am Main, wo er dem niederländischen Mönch und Studenten der Theologie, Albert Hardenberg (um 1510-1574), begegnet. Hardenberg befindet sich auf der Reise nach Italien, ist aber in Frankfurt erkrankt und beschließt kurzerhand, sein Studium in Mainz abzuschließen, wohin ihn a Lasco begleitet. Im Dezember 1537 ziehen beide weiter nach Löwen. Hardenberg lehrt dort an der Universität und predigt an der St. Michaeliskerk, beide schließen sich einem Kreis von Löwener Bürgern an, in dem reformierte, von Luther und Zwingli beeinflusste Schriften gelesen und diskutiert werden. Hardenberg gerät ins Visier der katholischen Inquisition, wird von der theologischen Fakultät der Universität Brüssel verklagt und in Löwen festgesetzt. In einem langwierigen Prozess wird er jedoch freigesprochen und verlässt die Stadt 1540, um sich in sein ursprüngliches Kloster, die Zisterzienserabtei Aduard bei Groningen, zurückzuziehen.

 

[11] Ebenda, Seite 14-17; Jürgens 2002 (siehe Literaturliste 3.), Seite 92-125

A Lascos Bruch mit der katholischen Kirche und mit seinen geistlichen Ämtern in Polen ist noch radikaler: Im Kreis der Löwener Reformierten lernt er eine Frau Barbara kennen, „pauperculam sine ulla dote uxorem“ (eine ärmliche Frau ohne irgendeine Mitgift), und heiratet sie zu Beginn des Jahres 1540. Bereits im April trifft die Nachricht darüber bei König Sigismund in Polen ein, der umgehend die Meinung des Papstes über einen möglichen Entzug aller Ämter und Pfründen des „Lutheraners“ Johannes Łaski einholt. Zur Jahresmitte ist a Lascos Heirat in Polen allgemein bekannt, am Jahresende die Neuverteilung seiner Posten und Einkünfte bereits abgeschlossen. In Löwen hat nun auch er die Verfolgung durch die Inquisition zu befürchten. Gleichzeitig mit Hardenberg verlassen a Lasco und seine Frau die Stadt und gehen nach Emden, 3000 Einwohner zählender Hauptort der Grafschaft Ostfriesland, der außerhalb des Herrschaftsbereichs der Habsburger liegt. Der amtierende Regent, Enno II. (1505-1540), ist für seine liberale Religionspolitik und verschiedene, teilweise gescheiterte kirchliche Reformen bekannt. Er bietet a Lasco bald nach dessen Eintreffen die Position eines Superintendenten von Ostfriesland an. Dieser lehnt jedoch zunächst ab.[12]

Als Hieronymus auf einer Rückreise von Konstantinopel erkrankt und auf dem Sterbebett liegt, reist a Lasco noch einmal nach Polen. Nach dem Tod des Bruders im Dezember 1541 unternimmt er einen Versuch, wieder in seine verlorenen Ämter eingesetzt zu werden. Vor dem Domkapitel in Krakau legt er einen Eid ab, dass er, so Jürgens, „nicht wesentlich von den Lehren der katholischen Kirche abgewichen“[13] sei, wobei er seine Heirat verschweigt. Als Folge dieser „Confessio“ wird er im März 1542 wieder in seine Ämter eingesetzt und erhält die entzogenen Einkünfte erstattet. Die Motivation für diese Prozedur vermutet Jürgens neben dem konkreten finanziellen Interesse darin, mithilfe der zurückgewonnenen Ämter „seine reformhumanistischen Ideale in der polnischen Kirche umsetzen zu können“.[14] Als a Lasco jedoch wieder kein Bischofsamt in Aussicht gestellt wird, kehrt er Anfang Mai nach Emden zurück.[15]

Um die Jahreswende 1542/43 beruft ihn Anna von Oldenburg (1501-1575), Witwe Ennos II. und Regentin für ihre minderjährigen Söhne, zum Superintendenten der ostfriesischen Kirche, die zu dieser Zeit weitgehend ungeordnet ist. Dieses Mal nimmt a Lasco an. Trotz einer bestehenden Kirchenordnung werden bei den Protestanten unterschiedliche liturgische Formen und Abendmahlsriten, entweder nach Luther oder nach Zwingli, praktiziert, wechselt die Lehre unter den Predigern und von Dorf zu Dorf. In den Klöstern wird die katholische Messe gelesen. Immer neue protestantische Gemeinschaften und Täufer kommen als Glaubensflüchtlinge aus den Niederlanden nach Ostfriesland.[16]

 

[12] Ebenda, Seite 136-147

[13] Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 1.), Seite 23

[14] Jürgens 2002 (siehe Literaturliste 3.), Seite 156

[15] Ebenda, Seite 148-160

[16] Ebenda, Seite 197-199; Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 1.), Seite 24

Als gängige Maßnahme der Zeit, um die protestantische Kirche gegen die Katholiken und die Täufer abzugrenzen, wählt a Lasco die Disputation, also das gelehrte Streitgespräch, in dem die Beteiligten auf Grundlage der Bibel den Beweis für die richtigen Inhalte ihres Glaubens und ihrer Lehre antreten sollen. Die katholischen Mönche entziehen sich diesen Gesprächen, woraufhin sie nicht mehr predigen und taufen dürfen und im Laufe des 16. Jahrhunderts Ostfriesland verlassen. Mit den Täufern, insbesondere mit Menno Simons (1496-1561), kommt es im Januar 1544 zu einem solchen Religionsgespräch, bei dem über die Erbsünde und die Rechtfertigungslehre, also die Frage, ob die Rechtfertigung des Sünders vor Gott durch gute Taten oder allein durch den Glauben erreicht werden kann, Einigung erzielt wird; über die Menschwerdung Christi und die Ämter der Kirche bleibt der Dissens aber bestehen. Beide Parteien trennen sich dennoch freundschaftlich. Menno verlässt Emden wenige Monate später und geht nach Köln, zahlreiche seiner Anhänger, die schon zu dieser Zeit „Mennoniten“ genannt werden, bleiben jedoch in Ostfriesland ansässig. A Lasco verfasst 1545 eine Schrift, in der er seine Ansichten über die Menschwerdung Christi gegenüber Menno verteidigt (Abb. 1).[17] Mit dem Anführer der mystisch-spiritualistischen Richtung unter den Täufern, David Joris (1501/02-1556), kommt es zu keiner Einigung. Anstatt alle Täufer aus Ostfriesland ausweisen zu lassen, setzt a Lasco auf mühsame und zeitraubende Einzelgespräche mit jedem der aus den Niederlanden ankommenden Glaubensflüchtlinge.

Als organisatorische Maßnahmen zur Stabilisierung der ostfriesischen Kirche führt a Lasco die Gründung eines Kirchenrats für jede Gemeinde und die Kirchenzucht gegenüber den Gemeindemitgliedern ein und ordnet die Entfernung sämtlicher Bilder, Altäre und katholischen Requisiten aus den Kirchen an. Der Kirchenrat, den er um die Jahreswende 1543/44 für die Große Kirche in Emden einführt, setzt sich aus den Predigern und vier aus der Gemeinde gewählten Ältesten zusammen. Gegenüber den Gemeindemitgliedern übt der Kirchenrat die Kirchenzucht aus, die das Wohlverhalten im täglichen Leben, in der Ehe, gegenüber Nachbarn und eine ordentliche Haushaltsführung einfordert. Bei Trunkenheit, öffentlichem Fluchen oder anderen Ärgernissen kann der Kirchenrat Ermahnungen oder den Ausschluss vom Abendmahl als Strafe verhängen. Die Abschaffung der Idolatrie, also der Bilderverehrung, setzt a Lasco bei Gräfin Anna durch, die daraufhin die Mehrzahl der religiösen Bilder und Gegenstände aus der Großen Kirche entfernen lässt. Die Durchsetzung dieser Maßnahmen bei den Landgemeinden kontrolliert er durch Visitationen, also durch persönliche Besuche bei den Dorfkirchen und ihren Predigern.[18]

Als weitere Maßnahme zur Vereinheitlichung ruft a Lasco den „Coetus“ (lat. Zusammenkunft) ins Leben, eine wöchentliche Versammlung der Prediger, die im Sommerhalbjahr in Emden stattfindet und auf der theologische Fragen diskutiert werden. Neu eintreffende Theologen werden in gegenseitiger Diskussion auf Eignung, Lehre und Lebenswandel geprüft. Mithilfe einer Kompromissformel, der „moderatio doctrinae“, versucht a Lasco strittige Fragen wie den Abendmahlsstreit, also das zwischen den Reformierten, den Anhängern Luthers und Zwinglis diskutierte Problem, wie die Gegenwart Christi im Abendmahl zu denken sei, zurückzustellen und die Gemeinsamkeiten zu betonen. Die Unterschiede vor allem zwischen den Reformierten und den Lutheranern sind jedoch so gravierend, dass der Coetus in der ursprünglichen Form scheitert und nur als Zusammenkunft reformierter Prediger, und zwar bis heute, bestehen bleibt. Insgesamt erweist sich a Lasco, der mit führenden Theologen seiner Zeit wie Melanchthon korrespondiert, so Jürgens, „weniger als der tiefschürfende Theologe […], sondern als der befähigte Organisator, der funktionsfähige und dauerhafte Gremien ins Leben rief“.[19]

 

[17] Defensio verae semperque in ecclesia receptae doctrinae de Christi Domini incarnatione, adversus Mennonem Simonis …, Bonn 1545, Johannes a Lasco Bibliothek, Emden; Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 2.), Seite 54 f.

[18] Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 1.), Seite 25-28; Jürgens 2002 (siehe Literaturliste 3.), Seite 222-303

[19] Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 1.), Seite 29

Die erreichten Reformen sind jedoch nicht von Dauer. 1546/47 zieht Kaiser Karl V. an der Donau und in Sachsen-Thüringen gegen ein Bündnis aus protestantischen Landesfürsten und Städten, den Schmalkaldischen Bund, zu Felde um die Reformation zurückzudrängen und behält die Oberhand. Daraufhin erlässt er im Augsburger Reichstag von 1548 ein religiöses Interim, also eine Zwischenlösung, bei der er die katholische Messe, die alten Feiertage und die Heiligenverehrung für verbindlich erklärt, den Protestanten aber Priesterehe und Laienkelch zugesteht. Anschließend wächst der Druck der habsburgisch-spanischen Niederlande auf Gräfin Anna, das Interim auch in Ostfriesland durchzusetzen. Diese führt eine Sonderform ein und entlässt a Lasco, der inzwischen für seine wachsende Familie das Gut Abbingwehr nordwestlich von Emden erworben hat, als Superintendenten.

A Lasco erlebt diese Zeit des neuerlichen Umbruchs in London, wohin ihn Herzog Albrecht von Preußen (1490-1568) als Unterhändler entsandt hat, um ein gegen den Kaiser gerichtetes Bündnis der protestantischen Fürsten mit dem englischen und anderen Königshäusern herbeizuführen. Als a Lasco im August 1549 nach Emden zurückkehrt, ist er bereits entlassen und reist daraufhin in diplomatischer Mission weiter nach Königsberg. Von dort aus versucht er, auch den polnischen König Sigismund II. August/Zygmunt II August (1520-1572) für einen protestantischen Bund zu gewinnen, der sich jedoch nicht gegen den Kaiser vereinnahmen lässt. Da eine erhoffte Rückkehr nach Polen ausgeschlossen scheint, nimmt a Lasco ein Angebot des Londoner Erzbischofs Thomas Cranmer (1489-1556) an, diesen bei der Reform der englischen Kirche zu unterstützen. Cranmer gehört zum Regentschaftsrat, der den unmündigen König Edward VI. vertritt. Ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben von Herzog Albrecht und einem Zeugnis von Gräfin Anna bricht a Lasco unter großer Anteilnahme der Emder Gemeinde über Bremen und Hamburg nach England auf, wo er im April 1550 eintrifft.[20]

In London wird er umgehend zum Superintendenten über die Flüchtlingsgemeinden ernannt, die aufgrund religiöser Verfolgung aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Italien nach England emigriert sind und nun die Gebäude des 1538 aufgelösten Augustinerklosters Austin Friars sechshundert Meter östlich der Bischofskirche St. Paul’s zur gemeinsamen Nutzung erhalten. Eine Charta vom Juli 1550 spricht den Gemeinden das Recht zu, sich abweichend von Ritus und Ordnung der englischen Kirche zu organisieren.[21] A Lasco entwirft eine Kirchenordnung für London, die in lateinischer Fassung 1555 (Abb. 2a, b), auf Deutsch 1565 erscheint[22] und vermutlich die (nicht erhaltene) Emder Gemeindeordnung zum Vorbild hat. Sie regelt die Gliederung der Gemeinde, die Aufgaben der Prediger, Diakone und Ältesten, beschreibt die Kirchenzucht, den Coetus der Prediger und enthält Liturgie und Predigtexte. Die Londoner Kirchenordnung gilt als a Lascos bedeutendstes Werk und wird, so Jürgens, die Organisation reformierter Kirchen weltweit beeinflussen: „Durch die Londoner Ordnung hat der polnische Humanist, der in Ostfriesland zur reformierten Kirche fand, besonders auf den niederländischen Protestantismus eingewirkt.“[23]

 

[20] Ebenda, Seite 30-32; Jürgens 2002 (siehe Literaturliste 3.), Seite 326-344

[21] Im Folgenden vergleiche Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 1.), Seite 33-45

[22] Johannes a Lasco: Forma ac ratio tota ecclesiastici Ministerii, in peregrinorum, potissimorum vero Germanorum Ecclesia instituta Londini in Anglia, Frankfurt am Main 1555, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel; Johann von Lasco: Kirchenordnung, wie die unter dem christlichen König auß Engelland … gehalten worden … und jetzund verdeutschet, Heidelberg 1565, Johannes a Lasco Bibliothek, Emden; Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 2.), Seite 66 f.

[23] Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 1.), Seite 33 f.

Als a Lascos Frau an einer Infektionskrankheit stirbt, heiratet er eine Frau Katharina aus der Londoner Gemeinde. Aber auch der dortige Aufenthalt ist nicht von Dauer. Im Sommer 1553 stirbt Edward VI. mit sechzehn Jahren. Seine Nachfolgerin auf dem Thron, Maria I. Tudor (1516-1558), ist katholisch, schafft die unter Edward erlassenen Religionsgesetze ab, führt Ritus und Lehre der katholischen Kirche wieder ein und lässt ab 1555 Protestanten, darunter Priester und Bischöfe, im Folgejahr auch Erzbischof Cranmer, als Ketzer verbrennen. Mit 170 Gemeindemitgliedern und Predigern flieht a Lasco im September desselben Jahres auf zwei Frachtseglern nach Dänemark. Der lutherische König Christian III. (1503-1559), weist die Flüchtlinge jedoch ab, da er mit den Reformierten keine Einigung im Abendmahlsstreit erzielen kann und diese sich nicht der dänischen Kirchenordnung unterwerfen wollen. A Lasco reist daraufhin nach Emden und erreicht bei Gräfin Anna die Aufnahme der Londoner Flüchtlinge, die im Frühjahr 1554 nach monatelanger Irrfahrt von Kopenhagen aus über lutherische Städte an der deutschen Ostseeküste, die sie ebenfalls nicht aufnehmen, in Ostfriesland eintreffen.

A Lascos Einfluss schwindet bald nach Eintreffen der Londoner Flüchtlingsgruppe. Gräfin Anna nimmt jetzt zwischen den verschiedenen theologischen Positionen eine vermittelnde Stellung ein, während a Lasco durch die Erlebnisse in London und Dänemark unbeugsamer geworden ist. Bei der Herausgabe des Emder Katechismus von 1554, also des Handbuchs für die Unterweisung in den grundlegenden Glaubensfragen, kommt es noch zu einem schwer errungenen Kompromiss zwischen a Lasco und den Emder Predigern. Als der spanisch-niederländische Hof in Brüssel jedoch wiederholt gegen a Lascos Anwesenheit in Emden protestiert, entschließt sich Gräfin Anna, ihn auszuweisen, woraufhin er nach Frankfurt am Main geht.

Auch in Frankfurt bricht der Abendmahlsstreit zwischen den ortsansässigen lutherischen Predigern und den reformieren niederländischen, wallonischen und englischen Glaubensflüchtlingen offen aus. A Lasco schließt sich der niederländischen Gemeinde an und tritt gegenüber dem Frankfurter Rat als deren Sprecher auf. Währenddessen veröffentlicht der lutherische Hamburger Pastor Joachim Westphal (1510-1574), der a Lasco bereits während dessen Aufenthalt in Dänemark angegriffen und die durchreisende Londoner Flüchtlingsgruppe aus Hamburg ausgewiesen hat, eine Schrift gegen a Lasco, „Defensio adversus insignia mendacia Joannis a Lasco“ (Verteidigung gegen die unerhörten Lügen des Johannes a Lasco), in der er dessen Gemeinden beschuldigt, den 1555 in Augsburg zwischen Kaiser Karl V. und den lutherischen Reichsständen geschlossenen Reichs- und Religionsfrieden zu verletzten. A Lasco weist diesen Vorwurf mit einer „Reinigungsschrift der Prediger der Flüchtlingsgemeinden“[24] (Abb. 3) zurück und wird später, wieder in Polen und an seinem Lebensende, ein letztes Mal mit einer „Antwort auf die giftige und aus Lug und Trug zusammengeflickte Epistel des wilden Menschen Westphal, mit der er die Purgatio der Frankfurter Flüchtlingsgemeinden verreißen will“[25] (Abb. 4) reagieren.

 

[24] Purgatio ministrorum in ecclesiis peregrinorum Francofurti … Autore D. Ioanne à Lasco, Barone Polono, Basel 1556, Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen; Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 2.), Seite 80, 82f.

[25] Joannes a Lasco: Responsio ad virulentam calumniisque ac mendaciis consarcinatam hominis furiosi Joach. Westphali epistolam …, Ursel 1557, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel; Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 2.), Seite 88 f.

A Lasco denkt bereits daran, nach Polen zurückzukehren. Er richtet Briefe an wichtige Adlige und widmet die 1555 in Frankfurt erscheinende Ausgabe der Londoner Kirchenordnung dem polnischen König Sigismund II. (Abb. 2 b). Briefe, die er an den König, den niederen Adel und den polnischen Senat richtet, lässt er 1556 ebenfalls im Druck erscheinen, und informiert mit diesen „Epistolae tres lectu dignissimae“ (drei zum Lesen überaus würdigen Briefen) auch die Allgemeinheit über seine Auffassung „die Kirche in richtiger und legitimer Art und Weise gut einzurichten“[26] (Abb. 5). Positive Reaktionen erreichen ihn von einflussreichen polnischen Adligen wie dem litauischen Reichsfürsten Nikolaus Radziwill/Mikołaj Radziwiłł (1515-1565) und der Synode der polnischen Reformierten, die sich im April 1556 in Pińczów trifft und a Lasco um dessen Rückkehr bittet. Am selben Tag, als der Frankfurter Rat die Flüchtlingsgemeinden ausweist, dem 21. Oktober, macht sich a Lasco auf den Weg nach Polen. Über Kassel, wo er Gespräche mit Landgraf Philipp I. von Hessen (1504-1567) führt, Wittenberg, wo er an einer Vorlesung von Melanchthon teilnimmt und polnische Studenten trifft, und Breslau, wo er mit Fieber zu Bett liegt, erreicht er Kleinpolen im Dezember.

Da der König auf die Rückkehr a Lascos ungehalten reagiert und kirchliche Berater den Reformator ausweisen wollen, zieht dieser sich nach Pińczów zurück und trifft sich mit Vertretern der Protestanten in Krakau. Vor allem in adligen Kreisen haben sich die Ideen der Schweizer Reformatoren und des Franzosen Johannes Calvin (1509-1564) verbreitet, während Luther in Polen unpopulär geblieben ist. Zahlreiche protestantische Richtungen, zu denen auch Nachfolger der Hussiten, die Böhmischen Brüder, gehören, gewinnen an Einfluss, sind jedoch unorganisiert und sehen in a Lasco eine Integrationsfigur. Im Frühjahr 1557 reist dieser zu Fürst Radziwill nach Wilna und trifft dort auch König Sigismund, der ihn zwar freundlich empfängt und ihm das Abhalten von Gottesdiensten zugesteht, eine Kirchenreform jedoch ablehnt. In Krakau predigt a Lasco öffentlich, bis das Domkapitel dieses verbietet. Daraufhin lässt sich a Lasco in Pińczów nieder, wo er Synoden und Predigerversammlungen abhält und den Ort zum Zentrum der Reformierten in Kleinpolen umgestaltet.

In Pińczów bringt a Lasco die grundlegenden Strukturen der Reformierten Kirche in Polen mit der Wahl von Ältesten und Diakonen und der Einführung der Kirchenzucht auf den Weg und initiiert eine polnische Bibelübersetzung, die Formulierung eines einheitlichen reformierten Bekenntnisses sowie einen Katechismus nach Emder Vorbild. In Kleinpolen entstehen in den Jahren seiner Tätigkeit rund sechzig reformierte Gemeinden. Versuche, eine Einigung mit den Protestanten in Großpolen, den Lutheranern und den Böhmischen Brüdern zu erzielen, scheitern am Abendmahlsstreit. Als Vertreter der katholischen Kirche veröffentlicht der Bischof von Ermland, Stanislaus Hosius/Stanisław Hozjusz (1504-1579) polemische Schriften gegen a Lasco, in deren Folge Polen als Gesamtheit katholisch bleibt. Infolge eines Streits über die Dreieinigkeit Gottes und die göttliche Natur Christi spalten sich schließlich die polnischen Reformierten in eine reformierte und eine unitarische Kirche. Seit Jahresbeginn 1559 bettlägerig, verfasst a Lasco noch Streitschriften gegen Hosius. Am 8. Januar 1560 stirbt er in Pińczów.

 

[26] Johannes a Lasco: Epistolae tres letcu dignissimae, de recta et legitima ecclesiarum benè instituendarum ratione ac modo, Basel 1556, Johannes a Lasco Bibliothek, Emden; Jürgens 1999 (siehe Literaturliste 2.), Seite 84 f.

In Deutschland erinnert heute die Johannes a Lasco Bibliothek in Emden an den polnischen Reformator. Die Bibliothek ist seit 1995 an der Wirkungsstätte von a Lasco, der Großen Kirche in Emden, untergebracht. Der moderne Neubau ist in die Ruine der im Zweiten Weltkrieg zerstörten „Moederkerk“ des reformierten Protestantismus integriert (Abb. 6). Die Bestände gehen auf die Zeit von a Lasco zurück. 1559 überließ der Kirchenälteste der reformierten Gemeinde, Gerhard tom Camp, seine Bücher den Pastoren zum theologischen Studium. Anfangs in einem Privathaus untergebracht und 1570 durch eine Sturmflut erheblich dezimiert, wurden sie seitdem in der Konsistorienkammer der Großen Kirche aufbewahrt. 1574 kam die Bibliothek von Albert Hardenberg hinzu, der sieben Jahre nach dem Tod von a Lasco, 1567, als reformierter Pastor an die Große Kirche berufen wurde. Über die Jahrhunderte durch Nachlässe von Theologen kontinuierlich erweitert, wurde die Bibliothek vor der Bombenzerstörung der Großen Kirche 1943 ausgelagert. Sie umfasst heute als Spezialbibliothek zum reformierten Protestantismus und zur Konfessionsgeschichte der frühen Neuzeit 160.000 Bucheinheiten, umfangreiche Archive und Handschriften.[27] Dazu gehören auch handschriftliche Dokumente und Erstausgaben der Bücher von Johannes a Lasco sowie ein nach 1555 entstandenes Porträtgemälde, das möglicherweise als Vorlage für den ein Jahrzehnt später entstandenen Kupferstich von Philips Galle (Titelabbildung) gedient hat.[28]
(wird fortgesetzt)

 

Axel Feuß, November 2017

 

Literatur:

1. Henning P. Jürgens: Johannes a Lasco, 1499-1560 – ein Europäer des Reformationszeitalters = Veröffentlichungen der Johannes-a-Lasco-Bibliothek, Große Kirche Emden, 2, Wuppertal 1999

2. Henning P. Jürgens: Johannes a Lasco. Ein Leben in Büchern und Briefen. Eine Ausstellung der Johannes a Lasco Bibliothek, Emden, Wuppertal 1999

3. Henning P. Jürgens: Johannes a Lasco in Ostfriesland. Der Werdegang eines europäischen Reformators = Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 18, Tübingen 2002

4. Christoph Strohm (Herausgeber): Johannes a Lasco (1499-1560). Polnischer Baron, Humanist und europäischer Reformator. Beiträge zum internationalen Symposium vom 14.-17. Oktober 1999 in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden, Tübingen 2000

5. Emden = Orte der Reformation, 13, herausgegeben von J. Marius J. Lange van Ravenswaay, Klaas-Dieter Voß und Wolfgang Jahn, Leipzig 2014

6. J. Marius J. Lange van Ravenwaay: Zeugnisse großer Geschichte, in: Die fantastischen Vier = Politik und Kultur. Dossier Reformationsjubiläum Nr. 2, Berlin 2017, Seite 48 f.

 

[27] Klaas Dieter Voß: Doktor Alberts Staub und Schatten. Aus der Geschichte der ältesten Bibliothek Ostfrieslands, in: Emden = Orte der Reformation 2014 (siehe Literaturliste 5.), Seite 74-78; J. Marius J. Lange van Ravenwaay 2017 (siehe Literaturliste 6.)

[28] Manfred Sellink: Philips Galle (1537-1612). Engraver and print publisher in Haarlem and Antwerp, II: Notes/Appendices, Dissertation Vrije Universiteit Amsterdam, 1997, Seite 267