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Ateliers polnischer Maler in München um 1890

Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

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Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013
Carl Teufel: Künstleratelier Alfred Wierusz-Kowalski, München 1889. Schwarzweiß-Fotografie vom Glasnegativ, 18 x 24 cm, Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr.: 121.688, Digitalisierung 2013

Im Herbst 1889 veröffentlichte der Münchner Schriftsteller und Redakteur Julius Beck (1852-1920) in der im Stuttgarter Union-Verlag von Wilhelm Spemann erschienenen Publikumszeitschrift Vom Fels zum Meer einen zwei Folgen umfassenden Artikel über „Münchener Malerateliers“. Grundlage für Becks Betrachtungen bildeten fotografische Innenaufnahmen von zunächst sechzig Ateliers, die der Münchner Berufsfotograf Carl Teufel (1845-1912) 1889 angefertigt hatte und auf denen auch die betreffenden Künstler in ihren individuellen Posen abgelichtet sind. Zwölf solcher Aufnahmen reproduzierte Beck in seinem Aufsatz in Form von Holzstichen, jedoch ohne die Herkunft der Ansichten und den Namen des Fotografen zu nennen.[1]

Abzüge von Teufels Originalaufnahmen waren zuvor im Frühjahr 1889 im Münchner Verlag Ackermanns Nachfolger Emil Franke, im Folioformat erschienen und konnten zum Preis von zwei Mark einzeln erworben werden. Der Kunstschriftsteller Friedrich Pecht (1814-1903) berichtete in der Zeitschrift Die Kunst für Alle: Auf diesen Fotografien würde man nicht nur den „Vogel“, sondern auch das „Nest“ sehen, das sie, die Künstler, sich aus „in der halben Welt zusammengerafften Raritäten“ gebaut hätten. Durch die Posen der Künstler könne man auf ihre „Gemütsart“ schließen, „da die gelegentliche Selbstgefälligkeit wie die liebenswürdige Bescheidenheit der Betreffenden sich hier fast durchgängig als viel pikanter und schöpferischer erwies“, als es die meisten Porträtmaler darzustellen vermocht hätten.[2] Beck schrieb über die Wirksamkeit der Künstlerateliers auf das Publikum: „Atelier! Wie mich das Fremdwort so eigentümlich anmutet, so gar nicht heimatlich und doch so heimelig, so bedeutungslos in seiner heutigen Allgemeinheit und doch so bedeutungsvoll als Spezialität […] Für den Raum, in welchem der Gelehrte, der Dichter, der Schriftsteller, der Komponist schafft, haben wir das ausdrucksvolle ‚Arbeitszimmer‘, die ‚Studierstube‘, der Künstler hat – ein Atelier! – Welch ein Zauber liegt schon in dem Worte. Wie belebt es unsere Neugierde so sehr, und wie rege wird unsere Phantasie, wenn wir den Begriff mit der Person und den Werken des Künstlers zusammenzuhalten versuchen.“[3]

Künstlerateliers, vor allem die von Malern – unter den Fotografien von Teufel finden sich nur fünf Aufnahmen aus Werkstätten von Bildhauern[4] – dienten vom Beginn der 1870er-Jahre bis über die Jahrhundertwende hinaus nicht nur als Werkstätten für die Herstellung von Kunstwerken. Sie waren vielmehr reichhaltig dekorierte Repräsentationsräume, in denen die Künstler ihre Schüler, Malerkollegen, Sammler und Galeristen, hochgestellte Persönlichkeiten und Reisende aus aller Welt empfingen. Vorbild war das Atelier des Wiener Historienmalers Hans Makart (1840-1884), der sich nach seiner Rückkehr aus Rom 1872 in Wien ein neues Malstudio eingerichtet und dieses mit schweren Wandbehängen, aufwändig geschnitzten Möbeln, Teppichen, Messinggeräten, Antiquitäten, Waffen und riesigen Sträußen aus Trockenblumen, Straußenfedern und Palmwedeln üppig dekoriert hatte. Makart feierte dort seine Atelierfeste, empfing die österreichische Kaiserin Elisabeth und ließ nachmittags Touristengruppen ein. In den folgenden zwei bis drei Jahrzehnten entstanden vor allem in München, wo Makart ab 1860 bei dem Historienmaler Carl Theodor von Piloty (1826-1886) studiert hatte, bis zu dreihundert – teilweise öffentlich zugängliche – repräsentative Künstlerateliers.

Teufel gab außerdem 1889 im Eigenverlag eine dreibändige Buchausgabe mit jeweils einhundert Abzügen seiner Atelieraufnahmen heraus.[5] Darin sind auch neun fotografische Aufnahmen aus Malstudios polnischer Künstler enthalten, die für einige Jahre oder sogar bis zu ihrem Lebensende in München ansässig waren, nämlich von Józef Brandt (Abb. 2), Szymon Buchbinder (Abb. 4), Władysław Czachórski (Abb. 6), Franciszek Ejsmond (Abb. 9), Antoni Kozakiewicz (Abb. 12), Jan Rosen (Abb. 15), Franciszek Streitt (Abb. 17), Zdzisław Suchodolski (Abb. 19) und Alfred Wierusz-Kowalski (Abb. 22). Teufel, der beruflich vor allem Vorlagenfotografien für Maler herstellte, darunter Landschaften, bäuerliche Motive, Szenen aus der Arbeitswelt, historische Architekturen und Akte, und der Tausende von dokumentarischen Aufnahmen für das Bayerische Nationalmuseum und die Bayerische Staatsbibliothek anfertigte, hatte aber weitaus mehr Aufnahmen in den Künstlerateliers fotografiert. Bekannt sind heute rund 375 Motive aus 237 Münchner Ateliers, die er über die Jahre 1889/90 hinaus bis zu seinem Lebensende fotografierte und von denen rund 340 originale Glasnegative im Format 14 x 18 Zentimeter erhalten geblieben sind.

 
 

[1] Eine Auswahl der von Beck verwendeten Bilder sowie Übernahmen und Anregungen aus dessen Artikel finden sich bei wenig später in dem Artikel „Painter‘s Studios“ von Lewis C. Hind in: The Art Journal, New Series, London 1890, Seite 11-16 und 40-45, der sich dann in einer weiteren Fortsetzung den Ateliers englischer Künstler widmet (Seite 135-139) (Digitalisat: https://archive.org/details/gri_33125006187625/page/n23). Alle Links in den folgenden Anmerkungen wurden zuletzt im Dezember 2018 aufgerufen.

[2] F. Pt. (Friedrich Pecht): „So wenig man ein Mädchen kennt …“, in: Die Kunst für Alle, 4. Jahrgang 1888/89 (Heft 18, 15. Juni 1889), München 1889, Seite 288 (Digitalisat: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kfa1888_1889/0369/image)

[3] Beck 1890 (siehe Literatur), Spalte 229 f.

[4] Langer 1992 (siehe Literatur), Seite 10
[5] Teufel 1889, 3 Bände (siehe Literatur und Online-Ressourcen)

Diese Negative gelangten nach dem Ableben von Teufel über verschiedene Stationen an den Benno-Filser-Verlag in Augsburg, der sie 1935 im Rahmen seines Verlagsarchivs aus 22.500 Negativen an das Bildarchiv Foto Marburg übergab, wo sie sich noch heute befinden.[6] Auch unter diesen Negativen sind gleiche, variierende oder ganz neue Aufnahmen aus Ateliers polnischer Künstler, nämlich wiederum von Brandt (Abb. 1), Buchbinder (Abb. 3), Czachórski (Abb. 5) und Ejsmond (Abb. 7, 8), dann von Zdzisław Jasiński (Abb. 10), Kozakiewicz (Abb. 11), Kazimierz Pułaski (Abb. 13), Rosen (Abb. 14), Streitt (Abb. 16), Suchodolski (Abb. 18) und Wierusz-Kowalski (Abb. 20, 21). Nicht immer wurden die polnischen Künstler vom Archiv oder in der Literatur korrekt identifiziert, was unter anderem an den deutschen Namensvarianten liegt, die in München gebräuchlich und mit denen die Fotos und Negative beschriftet waren, und was beispielsweise bei Franciszek Streitt[7] und Kazimierz Pułaski[8] zu beobachten ist.

Die Fotografien von Teufel bilden das umfangreichste und am besten erforschte Dokument über diese besondere Form des Künstlerateliers während der Zeit des Historismus.[9] Schon Zeitgenossen wie Beck erkannten, dass die Ateliers nicht etwa alle ähnlich im Geschmack der Zeit eingerichtet waren, sondern in ihrer Ausstattung je nach der persönlichen Anschauung der Malerinnen und Maler über ihre künstlerische Arbeit differierten. Sie unterschieden sich vor allem nach dem malerischen Fach ihrer Betreiber, also ob sie Landschafts-, Porträt-, Genre-, Historien-, Militär-, Jagd- oder Pferdemaler waren oder sich mit religiösen, symbolistischen oder orientalischen Themen beschäftigten. Außerdem hatten natürlich auch der künstlerische Erfolg und damit die wirtschaftliche Situation der Künstler eine Auswirkung auf die Größe der Räume und die Üppigkeit und Qualität der Ausstattungen.

Beck, der offenbar Künstler ausgewählt hatte, die er persönlich oder deren Werke er von Ausstellungen her kannte, schrieb: „Ich möchte die Ausstattung des Ateliers die sichtbare Charakterisierung des künstlerischen Individuums nennen.“[10] Im Atelier des berühmten Münchner Porträtmalers Franz von Lenbach (1836-1904), der sich zwischen 1886 und 1889 eine herrschaftliche Villa hatte errichten lassen, sah Beck „weiche kostbare Teppiche auf dem Boden; noch kostbarere, riesige Gobelins an den Wänden. In einer Ecke ein stufenförmiger Aufbau mit nicht gerade vielen, aber wertvollen Kunstschätzen besetzt – sonst nichts von jenen Kleinigkeiten, die einem Gemache ein anmutiges Lächeln verleihen – alles atmet hier klassische Ruhe.“[11] Bei dem Militärmaler Louis Braun (1836-1916) entdeckte er eine Sammlung von Waffen: „die Requisiten des Soldaten verstreut oder aufgestapelt, im bunten Durcheinander, wie es das Schlachtfeld selbst bietet“, sowie ein vermutlich aus Gips und Holz gebautes Festungsmodell als Studienobjekt.[12] Bei Edmund Harburger (1846-1906), Maler humoristischer Bauernszenen, fand Beck eine lebensecht eingerichtete Bauernstube vor.[13] Der Porträtmaler Rudolf Wimmer (1849-1915) überraschte mit einem Raum „für den vornehmsten Besuch eingerichtet, überall tritt uns feiner künstlerischer Geschmack in ernster Würde entgegen“.[14] Bei Karl Raupp (1837-1918), Maler vom Leben der Fischer und Landleute am Chiemsee, ruhte ein halb durchgeschnittener Fischerkahn auf einem eleganten, seidenüberzogenen Hocker inmitten von Renaissancemöbeln mit Büsten und Ziertellern. Der Porträt- und Gesellschaftsmaler Georg Papperitz (1846-1918), „Mann der vornehmen Welt“,[15] hatte seine Skizzen und fertig gerahmten Gemälde in einem weiten und hohen Saal mit drei Rundbögen und kannelierten klassizistischen Säulen arrangiert, während bei Walther Firle (1859-1929), der religiöse Genreszenen malte, über einem „primitiven Altare, Kerzenleuchtern und Kirchenrequisiten“[16] an der Decke ein ausgestopfter Kranich schwebte.

 

[6] Langer 1992, Seite 9 f.; 346 Aufnahmen sind auf der Webseite Bildindex der Kunst und Architektur, https://www.bildindex.de/, unter dem Suchwort „Münchner Künstlerateliers“ alphabetisch nach den porträtierten Künstlern abrufbar. Auf den meisten Seiten gibt es Informationen zur Herkunft unter dem weiterführenden Link „Mehr Informationen zum Fotokonvolut Filser 1935“.

[7] Teufel 1889, Band 3, Tafel 82 („F. Streit“, siehe Abb. 17); Bildindex Foto Marburg („Franz Streit“), https://www.bildindex.de/media/obj22005152/fm121835

[8] Langer 1992, Seite 176 („Casimir von Pulaski, unbekannt“); Bildindex Foto Marburg („K. von Pulaski, Stillebenmaler“), https://www.bildindex.de/media/obj22005106/fm121771

[9] Vergleiche vor allem die Dissertation von Brigitte Langer 1992 zu diesem Thema (siehe Literatur).

[10] Beck 1890, Spalte 232

[11] Beck 1890, Spalte 235

[12] Beck 1890, Spalte 248

[13] Beck 1890, Spalte 248 f.

[14] Beck 1890, Spalte 397

[15] Beck 1890, Spalte 402

[16] Beck 1890, Spalte 409

Lenbach, ebenfalls Schüler von Piloty, hatte bereits in seinem vorherigen Malstudio, das er zwischen 1871 und 1886 im Ateliergebäude des Bildhauers Anton Hess (1838-1909) in der Luisenstraße 17 in der Maxvorstadt betrieben hatte,[17] eine repräsentative Folge von drei Räumen eingerichtet: Während der erste Raum als Entree diente, enthielt der zweite eine museale Sammlung mit Kopien niederländischer und italienischer Gemälde auf Wänden, die mit rotem Damast bespannt waren. Außerdem waren Bronzebüsten, geschnitzte Schränke, Majoliken, Bären- und Tigerfelle und Antiquitäten „aller Genres und Zeitalter“ ausgestellt, die der Künstler auf seinen Reisen durch ganz Europa zusammengetragen hatte. Erst danach gelangte man in den dritten, schlicht gehaltenen eigentlichen Arbeitsraum.[18] Während seines anschließenden Aufenthalts in Rom fasste Lenbach den Plan, seine künftige Münchner Villa als „Palast zu bauen, der das Dagewesene in den Schatten stellen wird“. Seine historischen Sammlungen sollten auf höchstem Niveau den Rahmen für die eigenen Werke bilden und diese nahtlos in die historische Entwicklung der Kunst einbinden: „Die machtvollen Zentren der europäischen Kunst sollen dort mit der Gegenwart verbunden sein.“[19]

Ähnlich öffentlichkeitswirksam inszenierte der Historien- und Porträtmaler Friedrich August von Kaulbach (1850-1920) seinen Atelierbetrieb. Seit 1872 besaß er Wohnung und Atelier in einem Mietshaus in der Schwanthalerstraße 36 in der Ludwigsvorstadt, dessen Räume er offenbar schon zu dieser Zeit herrschaftlich einrichten ließ und das er 1876 erwarb. Wie Lenbach ließ er sich 1887-89 von dem Architekten Gabriel von Seidl (1848-1913) eine Villa im Stil der italienischen Renaissance errichten. Während bei Lenbach Atelier und Sammlung in einem Anbau eingerichtet waren, befanden sich Kaulbachs Atelierräume im Wohnhaus, wo sie sich über eine Höhe von zwei Stockwerken und eine Fläche von 132 Quadratmetern erstreckten. Die Einrichtung des Malstudios mit Gobelins, Orientläufern, schweren Stoffen und Draperien, einer kassettierten Holzdecke, geschnitzten Türportalen, Renaissancemöbeln und antiken Skulpturen galt Anfang der 1890er-Jahre als das eleganteste und am prächtigsten gestaltete Künstleratelier in ganz München.[20] Seine eigenen Gemälde hatte Kaulbach auf Staffeleien und auf dem Parkettboden stehend an den Wänden entlang ausgestellt. Makart in Wien sowie Lenbach und Kaulbach in München, aber auch Frederic Leighton in England, der polnische Historienmaler Jan Matejko in Krakau, der Ungar Mihály Munkáczy in Paris und eine Generation später Franz von Stuck wiederum in München galten nicht nur aufgrund ihrer prachtvollen Malerresidenzen, sondern auch durch enge Kontakte zu herrschenden und fürstlichen Häusern und durch öffentliche Huldigungen als „Malerfürsten“ – ein inoffizieller und nicht näher definierter Titel, der in der älteren Kunstgeschichte eigentlich Peter Paul Rubens zukam und der im späten 19. Jahrhundert auch auf andere Künstler angewendet wurde.[21]

Schon aus den 1870er-Jahren datieren gezeichnete Ansichten und literarische Beschreibungen, die über das Atelier des polnischen Schlachten-, Pferde- und Genremalers Józef Brandt (1841-1915) berichten, der sich in München aufgrund seiner Herkunft aus einer polnischen Adelsfamilie Josef von Brandt nannte.[22] Brandt, aufgewachsen in Warschau, kam 1863 über Paris zum Studium nach München, war ein Jahr jünger als Makart, studierte wie Lenbach und Makart an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste bei Carl Theodor von Piloty, vor allem aber im Privatatelier des Pferdemalers Franz Adam (1815-1886) und in den Aquarellkursen von Theodor Horschelt (1829-1871). 1867 mietete er einen von drei miteinander verbundenen Atelierräumen bei Franz Adam in der Schillerstraße 23 in der Ludwigsvorstadt. Im ersten Raum unterrichtete Adam seine Schüler, darunter den polnischen Maler Aleksander Gierymski (1850-1901), im zweiten arbeiteten dessen Bruder, Maksymilian Gierymski (1646-1874), und der polnische Maler Juliusz Kossak (1824-1899), der 1868/69 vorübergehend in München war, und im dritten war Brandt tätig.[23] 1869 schloss Brandt, der schon im ersten Münchner Studienjahr dort und in Krakau überaus erfolgreich seine Werke in der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, sein Studium ab und machte sich als freischaffender Künstler selbstständig.[24] 1870 zog er in eine Wohnung in der benachbarten Landwehrstraße, wo ihm ein Zimmer als Atelier diente,[25] 1871 eine Straße weiter, in die Schillerstraße.[26] 1874 mietete Brandt unweit von Kaulbach in einem Mietshaus in der Schwanthalerstraße 19 im zweiten Stock eine Fünfzimmerwohnung, die er für seine Zwecke umbaute und in der er bis zu seinem Tod sein Atelier unterhielt.[27] Vermutlich schon in diesem Jahr besuchte Prinz Luitpold von Bayern (1821-1912), der für seine freundschaftlichen Kontakte zur Münchner Künstlerschaft und für seine ebenso regelmäßigen wie unangekündigten Besuche auch bei jungen Künstlern bekannt war,[28] Brandts Atelier. Denn im Herbst 1874 war Brandt bei Luitpold zum Essen eingeladen, wobei er auch andere Mitglieder der königlichen Familie kennen lernte.[29]

 

[17] Adreßbuch von München für das Jahr 1878, III. Teil, Seite 82 (siehe Online-Ressourcen)

[18] Felix Gahl: Bei Franz von Lenbach, in: Der Sammler, Nr. 58, 1882, Seite 3-5; Zitat bei Langer 1992, Seite 99

[19] Zitiert nach: Franz von Lenbach 1836-1904, Ausstellungs-Katalog Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 1987, Seite 12

[20] Langer 1992, Seite 102-104; Birgit Joos: München – die Stadt der Malerfürsten, in: Malerfürsten 2018 (siehe Literatur), Seite 47; Doris H. Lehmann: Im Palast der Kunst. Bühne und Schauraum eines öffentlichen Lebens, in: Malerfürsten 2018, Seite 124 f. Aufnahmen eines unbekannten Fotografen aus Kaulbachs Atelier erschienen 1900 in der Zeitschrift Die Kunst für Alle, 15. Jahrgang, 1899-1900, München 1900, Seite 3 (Digitalisat: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kfa1899_1900/0014/image); weitere historische Fotografien aus Kaulbachs Atelier im Ausstellungs-Katalog Malerfürsten 2018, Seite 146

[21] Birgit Jooss 2005 (siehe Literatur); Doris H. Lehmann: „Malerfürsten“. Facetten einer modernen Erfolgsgeschichte, in: Malerfürsten 2018, Seite 9-13. Eine explizite Verwendung des Begriffs durch Friedrich Pecht in einem Artikel über den Lehrer von Makart und Lenbach, Carl von Piloty: Ein Malerfürst der Gegenwart, in: Die Gartenlaube, Nr. 40, 1880, Seite 648-651 (Digitalisat: https://archive.org/details/bub_gb_JVxRAAAAYAAJ/page/n657)

[22] Biografie zu Józef Brandt auf diesem Portal in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/brandt-jozef. Ausführlicher zu Brandts Ateliers in der Online-Ausstellung „Józef Brandt – Ein polnischer Malerfürst in München“ auf diesem Portal, https://www.porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/jozef-brandt

[23] Eliza Ptaszyńska 2008 (siehe Literatur), Seite XI; Halina Stepień: Franz Adam und sein Schülerkreis in Polen, in: Albrecht Adam und seine Familie, Ausstellungs-Katalog Münchner Stadtmuseum 1981/82, Seite 37 f.

[24] Anonym: Kunstkritik. Die Schlacht bei Wien 1683. Oelgemälde von Joseph Brandt in München, in: Die Dioskuren, 18. Jahrgang, Nr. 10, 9. März 1873, Seite 78

[25] Ptaszyńska 2008, Seite XI

[26] Adressbuch von München für das Jahr 1871, Seite 129

[27] Adressbuch von München für das Jahr 1875, Seite 126; Langer 1992, Seite 171

[28] Jooss 2012 (siehe Literatur), Seite 152, 167

[29] Ptaszyńska 2008, Seite XIII

In den Jahren zuvor hatte Brandt auf Reisen durch Polen und die Ukraine zahlreiche Antiquitäten und Requisiten gesammelt, die er als Vorlagen für seine Gemälde benötigte. Außerdem erwarb er solche Objekte von anderen Künstlern oder von verarmten adligen Familien in Polen und bezahlte dafür gelegentlich mit Gemälden.[30] So war mit der Zeit eine umfangreiche Sammlung aus Säbeln und Pistolen der polnischen Husaren, Harnischen, Helmen, Schilden, Pferdesatteln und ‑geschirren, Musikinstrumenten und Kostümen mit den zugehörigen Figuren, antiken Vorhängen und Stoffen, orientalischen Sitzmöbeln und Tischen, türkischen Zelten, persischen Teppichen sowie Renaissance- und Barockmöbeln entstanden. In seinem neuen Atelier in der Schwanthalerstraße fand Brandt nicht nur die Möglichkeit, diese Gegenstände zu lagern, sondern sein Atelier damit auch repräsentativ auszustatten und zu dekorieren. Auf der einen Seite des Korridors schuf er zwei Atelierräume, von denen er den größeren mit orientalischen Sofas, einem Tisch mit Einlegearbeiten, Möbeln des 16. und 17. Jahrhunderts, Waffen und Rüstungen ausstattete. Die Wände verkleidete er mit einem türkischen Zelt, auf dem Boden drapierte er persische Vorleger. Staffeleien sowie Regale für Farben und Pinsel dienten als Utensilien für die Malerei. Im zweiten Raum lagerte er Harnische und Musikinstrumente. Hier arbeitete über viele Jahre der mit ihm befreundete Maler Władysław Szerner (1836-1915), den Brandt auch als Kustos für die Sammlung beschäftigte.[31] Auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs richtete er ein Lager für Kostüme, Grafiken und Bücher und ein vorbildlich sortiertes Arsenal für historische Waffen, Rüstungen, Regimentsbanner und türkische Zelte ein.

Schon bald nach der Eröffnung sorgte Brandts Atelier nicht nur in München, sondern auch in Polen für Aufsehen. Szerner zeichnete, offenbar nach Fotografien, eine Ansicht, auf der Brandt mit einer Malpalette zu Füßen vor einem auf der Staffelei stehenden und üppig gerahmten Gemälde sitzt und in einem illustrierten Buch blättert. Geweihe, Waffen, historische Stoffe, Wandbehänge und Draperien, Statuetten, Dosen und die eigenen Gemälde dienten zur Dekoration des Raumes. Die Innenansicht, die bereits alle Elemente der rund fünfzehn Jahre später entstandenen Fotografien von Teufel enthält, wurde im Juni 1876 in der Warschauer Zeitschrift Kłosy (dt. Ähren) als Holzstich veröffentlicht.[32] Im Oktober berichtete der in Dresden ansässige polnische Schriftsteller Józef Ignacy Kraszewski (1812-1887) in seinen „Briefen aus München“ ausführlich über Brandts Atelier, das „wahrhaftig ein historisches Museum“ sei, „jest to całe muzeum historyczne“.[33] Im Dezember erschienen in der Warschauer Zeitschrift Tygodnik Ilustrowany (dt. Illustrierte Wochenschrift) auf einer Doppelseite zwei Ansichten des Ateliers auf einem wiederum von Szerner gezeichneten Blatt zusammen mit einem umfangreichen Artikel über Brandt.[34] Dort ist auch ein zweiter Raum mit Draperien, einer kunstvoll dekorierten Sammlung von Säbeln, Rüstungen und Regimentsfahnen zu sehen, die von einem Bild der Schwarzen Madonna gekrönt wird und die Szerner zu einer noch umfangreicher und dekorativer staffierten Rahmung seiner in Holz gestochenen guckkastenartigen Ansicht der Atelierräume inspirierte.[35]

Die beiden 1889 von Teufel angefertigten Fotografien, von denen eine in seinem Buch erscheint (Abb. 1, 2), zeigen, dass sich in den zurückliegenden fünfzehn Jahren am grundsätzlichen Arrangement nicht viel geändert hat. Allerdings war die Sammlung jetzt sehr viel dichter gruppiert, geschnitzte Türstürze und Paravents, Zierteller und zahlreiche Orientbrücken waren hinzugekommen. Auch diese Aufnahmen erschienen 1890 und 1899 in polnischen Zeitschriften.[36] 1903 berichtete der polnische Maler und Kunstkritiker Władysław Wankie (1860-1925), der ab 1882 zwanzig Jahre lang zum Münchner Kreis um Brandt gehörte, in der in St. Petersburg erscheinenden Zeitschrift Życie i Sztuka (dt. Leben und Kunst),[37] sogar in Polen würden nur wenige Menschen eine derartige Fülle an historischen Objekten besitzen wie Brandt, „mało kto i w kraju posiada taką całość naszych zabytków“.[38] Die umfangreichste Beschreibung der Atelierwohnung in der Schwanthalerstraße stammt von einem Enkel Brandts, der sie bei dessen Tod 1915 im Alter von neun Jahren besuchte und später darüber berichtete.[39] 1920 wurde die gesamte über 330 Gegenstände zählende Ausstattung des Ateliers dem letzten Willen von Brandt entsprechend nach Warschau transportiert und dem dortigen Nationalmuseum übergeben.[40]

 

[30] Bagińska 2015 (siehe Literatur), Seite 41

[31] Bagińska 2015, Seite 44

[32] Władysław Szerner (1836-1915): Józef Brandt w swojéj pracowni (dt. Jósef Brandt in seinem Atelier), 1875/76. Holzstich von Jan Styfi (1841-1921), in: Kłosy, 1876, Band XXII, Nr. 574, Seite 405 (Online-Ressource: http://www.wbc.poznan.pl/dlibra/publication?id=117872&tab=3); abgebildet in der Online-Ausstellung „Józef Brandt“ auf diesem Portal, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/jozef-brandt, Abb. 2

[33] Listy J. I. Kraszewskiego. Monachium w Październiku 1876 r., in: Kłosy, 1876, Band XXIII, Nr. 591, Seite 274, 3. Spalte (Online-Ressource: http://www.wbc.poznan.pl/dlibra/publication?id=117872&tab=3)

[34] J. Wojciechowski: Józef Brandt, in: Tygodnik Illustrowany, 1876, Band II, Nr. 52, Seite 412-414; Władysław Szerner (1836-1915): Pracownia Józefa Brandta w Monachium (Das Atelier von Jósef Brandt in München), 1875/76. Holzstich von Paweł Boczkowski (1860-1905), Seite 416 f. (Online-Ressource: http://bcul.lib.uni.lodz.pl/dlibra/publication?id=1571&tab=3); abgebildet in der Online-Ausstellung Józef Brandt auf diesem Portal, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/jozef-brandt, Abb. 3

[35] Ein Entwurf der staffierten Rahmung befindet sich im Jacek-Malczewski-Museum in Radom/Muzeum im. Jacka Malczewskiego w Radomiu, ebenso die der Zeichnung zugrunde liegenden Fotografien. Eine der Fotografien ist abgebildet bei Bagińska 2015, Seite 48, vergleiche dort Anmerkung 23, eine weitere im selben Ausstellungs-Katalog, Seite 56.

[36] S. Fabijański: Pracownia Józefa Brandta, in: Świat 1890, Seite 517; Pracownia profesora Józefa Brandta w Monachium, in: Tygodnik Ilustrowany, 1899, Band II, Nr. 40, Seite 789 (Online-Ressource: http://bcul.lib.uni.lodz.pl/dlibra/publication?id=1491&tab=3)

[37] Władysław Wankie: U Józefa Brandta w Monachium, in: Życie i Sztuka, 1903, Nr. 48, Seite 2

[38] Zitiert nach Bagińska 2015, Seite 46

[39] Andrzej Daszewski (1906-1992): Zbiory militariów Józefa Brandta, in: Muzealnictwo Wojskowe, Warschau 1985, Seite 68-76. Fotografien des Ateliers aus dem Jahr 1915 besitzt das Jacek-Malczewski-Museum in Radom/Muzeum im. Jacka Malczewskiego w Radomiu; eine Abbildung bei Bagińska 2015, Seite 47. Zur Abstammung von Daszewski vergleiche http://www.sejm-wielki.pl/b/zi.4.7.b

[40] Bagińska 2015, Seite 48. Heute befindet sich die Sammlung in verschiedenen Abteilungen des Nationalmuseums Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie und des Museums der polnischen Armee/Muzeum Wojska Polskiego.

Wie Makart in Wien empfing Brandt in seinem Atelier nicht nur Mitglieder der königlichen Familie, sondern feierte dort auch seine Feste. 1876 beging er im Kreis der Künstlerfreunde im Atelier seinen Namenstag. Szerner und Brandts Schüler Tadeusz Ajdukiewicz (1852-1916) überreichten Blumen, Antiquitäten und selbst gefertigte Geschenke. Die Räume seien voll von Menschen gewesen, berichtete Brandt in einem Brief an seine Mutter in Polen, „von der ganzen Familie Adam bis zur jüngsten polnischen Generation war alles bei mir, so dass es mich sogar verlegen machte“.[41] Am darauffolgenden Montag überbrachte Prinz Luitpold persönlich seine Glückwünsche. Brandts Atelier war wie bei Lenbach, Kaulbach und vielen anderen Münchner Künstlern das Zentrum des gesellschaftlichen Auftritts. Der Besuch des Monarchen machte die Maler und Bildhauer in den Augen der Öffentlichkeit zu „Künstlerfürsten“.[42] Der „Malerfürst“ Piloty, schrieb der Kunstschriftsteller Friedrich Pecht (1814-1903), gehöre wie nach ihm Makart zu jenen Künstlern, „die sich im Umgang mit den Großen dieser Welt gefallen“.[43] Luitpold förderte den aristokratischen Auftritt der Künstler weiter, indem er vor allem seit seiner Ernennung zum Prinzregenten 1886 Künstler in geradezu inflationärer Weise zu Professoren und in den Adelsstand erhob.[44] Brandt, der aus einer wohlhabenden Familie des polnischen Kleinadels stammte, heiratete 1877 Helena von Woyciechowski Pruszak/z Woyciechowskich Pruszakowa und wurde dadurch Besitzer des Gutes Orońsko und eines repräsentativen Herrenhauses im russisch regierten Kongresspolen, wo er während der Sommermonate zusammen mit anderen Malern aus der polnischen Künstlerkolonie in München eine Malakademie organisierte. 1878 wurde er zum Honorarprofessor der Münchner Akademie der Bildenden Künste ernannt, 1898 mit dem Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet.

Wie weit einzelne Objekte aus Brandts historischer Sammlung, die heute in Museen aufgegangen sind, tatsächlich als Vorlagen für seine Gemälde dienten, lässt sich kaum noch belegen. Tatsächlich stimmt sein Interesse für Bildthemen des 17. Jahrhunderts, also des Zeitalters der polnischen Kriege, mit dem Schwerpunkt seiner Sammlung überein. Im Jahrzehnt zwischen 1863 und 1873 malte er Schlachtengemälde, teilweise in wandfüllenden Formaten, die das ganze 17. Jahrhundert abdeckten: 1863 den „Marsch der Lisowskis“ mit einer Szene aus dem Polnisch-Osmanischen Krieg 1620/21, 1867 die „Schlacht von Chocim“ aus dem Jahr 1621, 1870 die Winterszene „Czarniecki in der Schlacht bei Kolding“ aus dem Zweiten Nordischen Krieg im Jahr 1658, 1873 eine Monumentalszene aus der „Schlacht bei Wien“, in der im September 1683 Türken vor anstürmenden polnischen Husaren flohen und ihre Zelte zurücklassen mussten.[45] Dem entsprachen Objekte in der Sammlung, die Wankie in großer Zahl auf das 17. Jahrhundert datierte und die vor Gold nur so glitzerten und blinkten; aber ebenso besaß Brandt Artefakte aus der Zeit von Sigismund II. August (1520-1572) und der Konföderation von Bar (1768-72).[46]

Die türkischen Zelte in Brandts Atelier ließen sich von Besuchern leicht mit dem Gemälde „Die Schlacht von Wien“ in Verbindung bringen, das auf der Wiener Weltausstellung 1873 und anschließend im Münchner Kunstverein ausgestellt war und in begeisterten Kritiken sogar mit Werken von Makart verglichen wurde.[47] Zeittypische Waffen, Harnische oder Pferdegeschirre aus Brandts Sammlung würde man hingegen im Gewimmel der figurenreichen Schlachtengemälde vergeblich suchen. Allerdings finden sich in polnischen Museen zahlreiche Detailstudien, die der Künstler von Rüstungen, Waffen, Sätteln, Kostümen und ganzen Figuren anfertigte und die ihm vermutlich als Vorlagen für Gemälde dienten. Mit der Zeit entwickelte er eine größere Vorliebe für kleinformatige Genre- und Reiterszenen, die in großer Zahl im Umfeld der Schlachtengemälde entstanden, schließlich ein eigenes Bildgenre bildeten und in denen pittoreske Kostüme und Requisiten eine wichtigere Rolle spielten, wie etwa in den um 1880 entstandenen Gemälden „Lager der Saporoger“ und „Marsch mit Kriegsbeute“.[48]

 

[41] Daszewski 1985 (siehe Anmerkung 39), Seite 60, 62; Bagińska 2005, Seite 45; Ptaszyńska 2008, Seite XIV

[42] Langer 1992, Seite 51, 66

[43] Pecht 1880 (siehe Anmerkung 21), Seite 651

[44] Jooss 2012, Seite 159 f.

[45] In der Online-Ausstellung „Józef Brandt“ auf diesem Portal, Abb. 6, 9, 14, 17, https://www.porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/jozef-brandt

[46] Bagińska 2015, Seite 46

[47] Siehe Anmerkung 24

[48] In der Online-Ausstellung „Józef Brandt“ auf diesem Portal, Abb. 29, 31, https://www.porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/jozef-brandt

Die Dekorationen der Münchner Künstlerateliers zielten jedoch nicht nur auf das eingeweihte ortsansässige Publikum ab, sondern auch auf Touristen, auswärtige Sammler und potentielle Käufer und gehörten geradezu zum Geschäftsmodell der Künstler. Lenbach öffnete sein Atelier vor allem für durchreisende Aristokraten, Kaulbach zeigte seine Sammlung an italienischer Renaissancemalerei zu festen Öffnungszeiten. Münchner Adressbücher verzeichneten seit dem Ende der 1870er-Jahre in einer eigenen Rubrik die Adressen der Künstlerateliers mit dem Fach der jeweiligen Maler und den Öffnungszeiten. Englischsprachige Reiseführer für München wiesen in den 1880er‑ und 90er­­­‑Jahren eigens auf das Atelier des polnischen Schlachtenmalers von Brandt hin, „eines besonders erfolgreichen Meisters des exotischen Genres und Inhabers eines außergewöhnlichen Schauateliers“.[49] Nach dem Vorbild der Kostümfeste, die Makart in seinem großen Wiener Atelier feierte und zu denen dieser die Vorlagen für die historischen Kostüme lieferte,[50] feierte man 1876 in München das Faschingsfest der Münchner Künstler unter dem Motto „Ein Hoffest Karls V.“, an dem auch Makart und Mitglieder des bayerischen Königshauses teilnahmen. Dabei kamen Requisiten aus Brandts Atelier zum Einsatz, der eine türkische Truppe mit Kostümen ausgestattet hatte und damit für eine Sensation sorgte.[51]

Die Auflistung der Künstlerateliers in den Münchner Stadtführern und in der internationalen Presse als Sehenswürdigkeiten, die man bei einem München-Besuch nicht auslassen durfte, führte bereits Mitte der 1870er-Jahre zu Besucherströmen, die manche Künstler veranlasste, nur noch auf Anfrage zu öffnen oder das Atelier gleich ganz abzuschließen.[52] Brandts Atelier diente vor allem als Treffpunkt der polnischen Künstlergemeinde. Zu seinem Kreis gehörten verteilt über rund fünfzig Jahre Ludwik Kurella (in München 1861-97), Henryk Redlich (1863-69), natürlich Szerner (1865-1915) und Ajdukiewicz (1873-75), Maksymilian (1867-74) und Aleksander Gierymski (1868-97), Stanisław Szembek (1868-71), Ludomir Benedyktowicz (1868-72), Władysław Czachórski (1868-1911), Franciszek Streitt (1871-90), Antoni Kozakiewicz (1871-1900), Henryk Piątkowski (1872-75), Jan Rosen (1872-95), Jan Chełmiński (1873-76), Alfred Wierusz-Kowalski (1873-1915), Julian Fałat (1875-81), Franciszek Ejsmond (1879-94), Bohdan Kleczyński (1882-88), Szymon Buchbinder (1883-97), Apoloniusz Kędzierski (1886-89), Olga Boznańska (1886-98) und viele andere.[53]

Die Künstler lebten alle in denselben Straßen in der Ludwigs- und der Maxvorstadt und in Schwabing. Ihre Malstudios hatten sie an der Akademie, in ihren Wohnungen oder in nur mit Ateliers belegten Rückgebäuden dieser Straßen. Sie studierten und arbeiteten gemeinsam, trafen sich zum Essen und spazierten am späten Nachmittag mit ihrem Lehrer Franz Adam ins Café Tambosi am Odeonsplatz zum Rauchen und zum Billardspiel. „Abends gehen wir unserer Wege“, erinnerte sich Juliusz Kossak an seine Münchner Zeit 1868/69, „die einen zum Zeichnen in die Akademie, die anderen nach Hause zum Abendessen oder Tee, meistens zu Brandt, wo der Flügel bearbeitet wird, Gierymski spielt, Brandt singt und Redlich auf den Arm genommen wird.“[54] In Brandts Atelier in der Schwanthalerstraße 19 wurde 1876 gemeinsam das „Album polnischer Maler/Album malarzy polskich“ vorbereitet,[55] das die Kunst der Münchner Gruppe verbreiten sollte. Es enthält Reproduktionen und Beschreibungen zu Werken von Brandt, Chełmiński, (Wierusz-)Kowalski, Kozakiewicz, Ludwik Kurella (1834-1902)[56], Piątkowski, Streitt, Aleksander Świeszewski (1839-1895), Szerner und Roman Szwoynicki (1845-1915) und erschien noch im selben Jahr im Verlag von Józef Unger in Warschau. (siehe PDF)

Seit Brandts Heirat mit Helena Pruszak 1877, die zwei Kinder mit in die Ehe brachte, verlagerte sich das gesellschaftliche Leben zumindest teilweise in die Privatwohnung des Ehepaars, das noch zwei gemeinsame Töchter bekam. Einer der Paten wurde Prinz Luitpold von Bayern. Die Familie lebte im ersten Stock eines Mietshauses in der Barerstraße in der Maxvorstadt in Sichtweise zur Neuen Pinakothek[57] und führte ein offenes Haus, in dem Freunde und Bekannte aus der polnischen Künstlerkolonie und der Münchner Gesellschaft gern gesehene Gäste waren. Im Atelier in der Schwanthalerstraße ließ Szerner die Besucher zur Besichtigung ein. Die polnische Malerin Anna Bilińska (1857-1893) berichtete anlässlich einer München-Reise 1882 von einem Besuch im Atelier: Brandt wäre ewig nicht zugegen gewesen, aber Szerner habe ihr und ihren Begleitern erlaubt, die Räume zu besichtigen. Szerners Steifheit habe sie geradezu gefrieren lassen, „mrozi nas sztywność jakaś.“[58] Dass Brandt sein museales Atelier auch über viele Jahre hinweg keineswegs vernachlässigte, belegen die 1889 entstandenen Fotografien von Teufel.

 

[49] Langer 1992, Seite 56

[50] Doris H. Lehmann: Künstlerfeste, in: Malerfürsten 2018, Seite 233-235

[51] Bagińska 2015, Seite 45

[52] Langer 1992, Seite 56 f.

[53] Ausführliche Biografien der wichtigsten polnischen Künstler in München sind auf diesem Portal über die Link-Liste „Münchner Schule 1828-1914“ abrufbar, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/muenchner-schule-1828-1914

[54] Ptaszyńska 2008, Seite XIII

[55] Bagińska 2015, Seite 45

[56] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kurella-ludwik

[57] Adressbuch von München für das Jahr 1885, I. Teil, Seite 58: „Brandt, Jos. v. k. Prof. Historien- u. Schlachtenmal. Ehrenmitgl. d. Akadem. Barerstr. 31/1.“

[58] Bagińska 2015, Seite 44

1873 kam der polnische Maler Alfred Kowalski (1849-1915)[59] nach München, der zuvor in Warschau und Dresden studiert hatte, und immatrikulierte sich im Oktober des Jahres an der Münchner Kunstakademie – im selben Semester wie Zdzisław Ajdukiewicz, Kazimierz Alchimowicz, Chełmiński, Wojciech Kossak, Wojciech Piechowski, Szwoynicki, Włodzimierz Łoś und Aleksander Mroczkowski,[60] die ihr Studium wahlweise in der Antikenklasse oder wie Kowalski bei dem Historienmaler Sándor (Alexander von) Wagner (1838-1919) begannen. Es ist anzunehmen, dass Kowalski, der in München unter seinem Familiennamen gemeldet und verzeichnet wurde, aber auf seinen Gemälden in Kombination mit dem polnischen Geschlechternamen als „Wierusz-Kowalski“ signierte, woraus sich mit der Zeit verschiedene Namensvarianten bildeten, bald Kontakt zu Brandt aufnahm. 1878 ist er erstmals im Münchner Adressbuch als Kunstmaler unter derselben Adresse wie Brandt in der Schwanthalerstraße 19 im zweiten Stock verzeichnet. Dieses Haus beherbergte neben anderen Mietern zahlreiche Wohnungen oder Ateliers weiterer Künstler wie zum Beispiel 1875 neben Brandt den Maler Rudolf Hirth (du Frênes, 1846-1916) und im Nebengebäude mit der Hausnummer 19 ½ die Maler Gabriel (von) Max (1840-1915), Franz Defregger (1835-1921) und Robert Beyschlag (1838-1903),[61] 1878 neben Kowalski, Max und Beyschlag den irischen Maler Georg(e) Folingsby (1828-1891), während Brandt vorübergehend und aus unbekannten Gründen nicht verzeichnet ist.[62]

Wierusz-Kowalski wechselte in den folgenden Jahren mehrfach die Adresse,[63] verfügte dann aber durchgehend von 1889 bis 1910 über jenes repräsentative Atelier in einem rückwärtigen Ateliergebäude in der Landwehrstraße 79 in der Ludwigsvorstadt, das Teufel fotografierte und auch in sein Buch aufnahm (Abb. 20-22). Ähnlich wie das von Brandt wurde es zum Treffpunkt von Künstlern, Galeristen und Sammlern, zu denen auch Prinzregent Luitpold gehörte. Auch Wierusz-Kowalski heiratete und lebte mit seiner Frau und vier Kindern in einer anspruchsvollen Wohnung in der Goethestraße 48,[64] in der Gäste, darunter Luitpold, stets willkommen waren.[65] Im Gegenzug war Wierusz-Kowalski ebenso wie Brandt, Rosen, Ejsmond, Czachórski und andere gelegentlich in der Residenz zu festlichen Essen und Empfängen geladen.[66] Die Ateliers und Wohnungen insbesondere von Brandt und Wierusz-Kowalski bildeten nicht nur den Rahmen für die gesellschaftlichen Zusammenkünfte der polnischen Künstlerkolonie, sondern vor allem ein Stück Heimat für die mehr oder minder freiwilligen Exilanten, die hier unter sich sein konnten, den polnischen Lebensrhythmus zelebrierten, gemeinsame Aktionen und Teilnahmen an Münchner, polnischen oder ausländischen Ausstellungen vorbereiteten, sich in endlose politische Diskussionen verstrickten und gemeinsam polnische Zeitschriften abonnierten.[67]

München zog ausländische Studenten wegen der hochkarätigen öffentlichen Kunstsammlungen, der hervorragenden Ausbildung an der Kunstakademie, der offensiven Förderung der Künste durch das Königshaus und der liberalen Einstellung der Bevölkerung an. Viele Polen waren aber vor allem nach dem Januaraufstand 1863/64 gegen die russische Teilungsmacht als Flüchtlinge oder wegen der nachfolgenden jahrelangen Repressionen wie beispielsweise der Schließung der Warschauer Akademie der bildenden Künste/Akademia Sztuk Pięknych nach München gekommen. Zwischen 1824 und 1914 gingen rund 700 polnische Maler, Bildhauer und Architekten durch den Münchner Künstlerkreis, 322 nahmen ein offizielles Kunststudium auf.[68] Brandt und Wierusz-Kowalski griffen zu ihrer Zeit den Neuankömmlingen nicht nur finanziell und durch Bereitstellung einer Unterkunft unter die Arme, sondern stellten ihnen auch Requisiten aus ihren reichhaltigen Atelierfundus zur Verfügung.[69] Auch von der Kunstkritik wurden die Polen als geschlossene Gruppe betrachtet, die sich „zuletzt zu einer förmlichen Schule gestalteten“; denn ihren Kompositionen seien „ein gewisser melancholischer Zug“ und die „Farbenstimmung“ gemeinsam, schrieb Friedrich Pecht 1888: „Am meisten ehrt sie die treue Liebe für die Heimat und deren uns … reizend erscheinende Mischung von düsteren Wäldern, kahlen Ebenen und Schnee.“[70]

 

[59] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/wierusz-kowalski-alfred; Online-Ausstellung „Alfred Wierusz-Kowalski“ ebenfalls auf diesem Portal, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/alfred-wierusz-kowalski

[60] Stępień/Liczbińska 1994, Seite 11

[61] Adressbuch von München 1875, II. Teil, Seite 244

[62] Adressbuch von München 1878, II. Teil, Seite 300

[63] Ptaszyńska 2008, Seite XI

[64] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 184

[65] Halina Stepień 2008 (siehe Literatur), Seite Seite VIII

[66] Ebenda, Seite IX

[67] Ebenda, Seite VI f.

[68] Ste̜pień 2003, Seite 187; vergleiche auch auf diesem Portal die Online-Ausstellung „Polnische Künstler in München 1828-1914“, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/polnische-kuenstler-muenchen-1828-1914

[69] Ste̜pień 2003, Seite 194

[70] Pecht 1888, Seite 420

Auch Wierusz-Kowalski, der sich in seiner Malerei zunächst an den Genre-, Pferde- und Militärszenen von Brandt, dann an Jagdmotiven von Maksymilian Gierymski orientierte, verwendete für seine anschließenden Reitermotive aus dem Kaukasus und Szenen vom Januaraufstand Requisiten aus dem Atelierfundus von Brandt. Seit Beginn der 1880er‑Jahre wurde er mit winterlichen Szenen von der Wolfsjagd sowie Kutschen- und Schlittenfahrten bekannt und schilderte vor allem die Vergnügungen des polnischen Landadels bei Jagdausflügen und der Heimkehr vom Markt. Sein Atelier in der Landwehrstraße war hochherrschaftlich und lediglich mit ausgesuchten historistischen Möbeln, Orientteppichen und Wandbehängen ausgestattet. Es war kein Museum wie das von Brandt, sondern diente neben der künstlerischen Arbeit vorrangig der Repräsentation, ähnlich wie das architektonisch gegliederte Salon-Atelier des Porträtmalers Papperitz, der nur wenige Häuser weiter in der Landwehrstraße 73 residierte. Lediglich ein polnischer Schlitten, der auf einer von Teufels Aufnahmen im Hintergrund zu sehen ist (Abb. 22), steht im Bezug zur künstlerischen Arbeit des Malers und erinnert an den Fischerkahn, der bei Raupp im Atelier stand.

Die Deckenhöhe von über fünf Metern erlaubte es dem Künstler, wandhohe Formate zu malen wie das dramatische Gemälde über den Überfall eines Wolfsrudels auf ein Pferdegespann, das Teufel während der Entstehung 1889 fotografierte (Abb. 20). Erst zwanzig Jahre später, im Mai 1910, wagte es Wierusz-Kowalski, das 5 x 10 Meter große Bild öffentlich, und zwar im Alten Rathaus am Münchner Marienplatz auszustellen. Prinzregent Luitpold und seine Familie besichtigten das Gemälde, das jedoch von der Öffentlichkeit, vermutlich weil es nicht mehr zeitgemäß war, weitgehend unbeachtet blieb.[71] Im selben Jahr entstand eine Reproduktion in Form eines Holzstichs (Abb. 20a); das Ölbild verbrannte 1920.[72] Am rechten Rand von Teufels Aufnahme steht auf einer Staffelei das Gemälde „Pferdegespann über einer Furt“, das sich heute im Bezirksmuseum/Muzeum Okręgowe von Suwałki als Leihgabe aus Privatbesitz befindet (Abb. 20b). Bislang nicht eindeutig zu identifizieren ist das Bildnis eines Jägers auf Teufels zweiter Fotografie am rechten Bildrand (Abb. 21), bei dem es sich im Vergleich mit einer zeitgenössischen Fotografie um ein Porträt des Prinzregenten Luitpold[73] oder um ein Bildnis des bayerischen Kultusministers Freiherr Johann von Lutz (1826-1890) handeln könnte, den Wierusz-Kowalski zuvor schon auf einem der Neuen Pinakothek geschenkten Gemälde porträtiert hatte[74] und das heute verschollen ist.[75]

Noch vor Wierusz-Kowalski kamen 1871 Antoni Kozakiewicz (1841-1929) und Franciszek Streitt (1839-1890), und zwar gemeinsam mit dem polnischen Maler Aleksander Kotsis (1836-1877) nach München. Alle drei waren 1862/63 an der Ausführung von Gewölbemalereien in der Missionarskirche von Stradom bei Krakau beteiligt gewesen. Kozakiewicz und Streitt hatten dann ab 1868 in Wien studiert und zusammen mit Kotsis Österreich und die Alpen bereist. In München gründeten sie zu dritt ein Malatelier, das 1878 in der Mittererstraße 7 in der Ludwigsvorstadt,[76] 1890 verteilt über zwei Stockwerke in der Adalbertstraße 49 in der Maxvorstadt verzeichnet ist.[77] Kozakiewicz,[78] der sich in München auf Genrebilder und volkstümliche Szenen in den ländlichen Gebieten und Kleinstädten Polens spezialisierte und erst 1899 zurück nach Warschau ging, war aktives Mitglied der Künstlerszene um Brandt, auch mit zahlreichen anderen polnischen Malern befreundet und von Beginn an Mitglied im Münchner Kunstverein. Sein Atelierraum wirkt, so wie Teufel ihn fotografierte (Abb. 11-12), wenig repräsentativ, aber durch eine gewisse Unordnung, Grünpflanzen, Palmwedel, einen großen japanischen Sonnenschirm und einige Pistolen und Säbel an der Wand durchaus pittoresk. Eher bescheiden drückt sich der Künstler in eine Sofaecke und liest in einem Journal. Auf der Staffelei steht das fertig gerahmte Bild einer „Zigeunerin/Cyganka“ am Lagerfeuer, das der Maler im Jahrzehnt nach 1900 noch mehrfach wiederholte.[79] Auch dieses Atelier soll Luitpold mehrfach besucht haben. Im „Album polnischer Maler“ von 1876 ist Kozakiewicz mit einer bürgerlichen Szene, „Nauki Babuni/Großmutters Unterweisung“, vertreten, auf der ein junges Mädchen das Spinnen erlernt (siehe PDF).

 

[71] Eliza Ptaszyńska in der Online-Ausstellung „Alfred Wierusz-Kowalski“ auf diesem Portal, Seite 1, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/alfred-wierusz-kowalski

[72] Freundliche Auskunft von Frau Eliza Ptaszyńska, Muzeum Okręgowe, Suwałki, Oktober 2018

[73] Ferdinand von Miller und Prinzregent Luitpold bei der Gemsjagd, Fotografie, vergleiche Jooss 2012, Seite 162

[74] Ptaszyńska 2008, Seite XII

[75] Alfred von Kowalski-Wierusz: Staatsminister Freiherr von Lutz auf der Gemsenjagd, 1888, Öl auf Leinwand, 78 x 104 cm, Neue Pinakothek, München; als Leihgabe an die Bayerische Gesandtschaft in Berlin seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschollen (Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, http://www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/EinzelobjektVerlust.html;jsessionid=2F3FAC1E7A691FF4FCDCE1114C686211.m1?cms_param=EOBJ_ID%3D451581%26_page%3D35%26_sort%3D%24sort%26_anchor%3Did4440_eobjliste)

[76] Adressbuch von München 1878, III. Teil, Seite 82 (Kozakiewicz), Seite 84 (Streitt)

[77] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 184 (Kozakiewicz), Seite 357 (Streitt)

[78] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kozakiewicz-antoni

[79] Eine Version von 1909 im Auktionshaus Agra Art, Warschau, https://sztuka.agraart.pl/licytacja/415/25420, eine weitere im Nationalmuseum Krakau/Muzeum Narodowe w Krakowie, 1909, Öl auf Leinwand, 82 x 54,5 cm, abgebildet im Ausstellungs-Katalog Egzotyczna Europa 2015 (siehe Literatur), Seite 189

Sein Freund Franciszek Streitt,[80] der in München auch unter der deutschen Namensversion Franz Streitt firmierte, ist auf der Fotografie von Teufel in seinem kleinen Atelierraum schon von schwerer Krankheit gezeichnet (Abb. 16). 1839 in Brody in der Ukraine geboren, studierte er zunächst an der Technischen Akademie in Lemberg und an der Schule der Schönen Künste/Szkoła Sztuk Pięknych in Krakau bei Władysław Łuszczkiewicz (1828-1900) und Jan Matejko (1838-1893). Nach Szenen aus der polnischen Geschichte und Literatur malte er vor allem Genremotive mit sentimentaler Attitüde aus dem Alltag der Handwerker und Bauern wie das Bild „Pierwsze kroki/Erste Schritte“, das im „Album polnischer Maler“ erschien (siehe PDF). Auch er war mit der Künstlerkolonie um Brandt und Wierusz-Kowalski eng verbunden. Auf seinem Atelierfoto sitzt er dem Modell einer Bäuerin mit einem Korb gegenüber, das vermutlich eine kostümierte Puppe ist. An der Schauwand sind Gräser, Straußenfedern und ausgestopfte Vögel dekoriert, Efeu rankt sich vom Fenster aus an der Decke entlang – eine offenbar übliche Dekoration, die auch auf dem Atelierfoto des deutschen Genremalers Claus Meyer (1856-1919) in der benachbarten Georgenstraße[81] zu sehen ist. Auch Musikinstrumente und Lederbeutel dienten zur Dekoration. Auf einer Truhe steht im Hochformat das noch ungerahmte Gemälde „Eine Blume für den Hut/Kwiatek do kapelusza“, das noch heute bekannt ist (Abb. 16a). Auf der Staffelei ist das in Arbeit befindliche Bild eines jungen Zigeunerpaars zu sehen, von dem der sitzende Geigenspieler auch als Einzelbild aus dem Jahr 1890 überliefert ist (Abb. 16b).

Streitt heiratete 1888 eine Münchner Malerin, starb jedoch schon am Heiligen Abend 1890. Die polnische Schriftstellerin Maria Konopnicka (1842-1910), die zu Beginn einer Europareise München und die Ateliers der polnischen Künstler, darunter das von Streitt, besuchte, berichtete über das Begräbnis: „Auf dem Münchner Nordfriedhof bestattete man am letzten Tag des alten Jahres den Maler Franciszek Streitt. Die Beerdigung war traurig, hinter dem Sarg gingen Kollegen und seine Frau, eine Deutsche. Der Sarg umschloss den gebrechlichen Körper und einen schlichten Geist, der ihn auch in seinem künstlerischen Schaffen auszeichnete. Einfachheit und Wahrheit. Ich kenne keinen Maler, der mit einigen Strichen seinen Gedanken, oder vielmehr sein Gefühl in der Zeichnung zum Ausdruck bringen könnte. Dieses steht bei ihm nämlich stets an erster Stelle. Wie er es jedoch auszudrücken verstand, beweist am besten seine ‚Rekrutierung in die Armee‘ – der schmerzliche Tod einer Mutter und eines jungen Soldaten. Einmal gesehen, bleibt sie für immer in Erinnerung.“[82] 1891 veranstaltete der Kunstverein München eine Retrospektive mit sechzig Werken des Künstlers.

1872 kam Jan Rosen (1854-1936)[83] zum Studium nach München, nachdem er in Dresden, wohin seine Familie nach dem Januaraufstand 1863 geflüchtet war, ersten Zeichenunterricht erhalten hatte. Neben seinem Studium an der Münchner Kunstakademie bei dem Historien- und Figurenmaler Alexander Strähuber (1814-1882) und dem Bildhauer, Historien- und Genremaler Ferdinand Barth (1842-1892) nahm er privaten Malunterricht bei Brandt. Gemeinsam mit seinem Kommilitonen an der Akademie, Henryk Piątkowski (1853-1932),[84] der schon vier Jahre später im „Album polnischer Maler“ mit der antiken Szene „Rzymianka w kąpieli/Römerin im Bad“ vertreten war (siehe PDF), gab er das polnische Studentenmagazin Kolega heraus, war auch sonst in der Studentenschaft und in der polnischen Künstlerkolonie aktiv, organisierte Chöre und Konzerte. Ab 1874 setzte er sein Studium in Paris fort, war anschließend in Polen und auf Reisen und lebte dann erneut ab 1883 in München. Sein Atelier hatte er seit 1888 unweit von Brandt in der Schwanthalerstraße 32 im Rückgebäude.[85] Unter dessen Einfluss malte er Jagdmotive, Pferdeszenen und Reiterbildnisse, wurde jedoch berühmt durch seine Schlachtengemälde über die Napoleonischen Kriege und vom Novemberaufstand 1830/31. Um alle Details so authentisch wie möglich schildern zu können, studierte er nicht nur historische Quellen und Literatur, sondern legte nach Brandts Vorbild eine Sammlung von Pistolen, Säbeln, Uniformen, Harnischen und Helmen, Kanonenmodellen, Trompeten und Jagdhörnern an, die er in seinem Atelier penibel aufreihte (Abb. 14, 15). Für repräsentative Möbel war offenbar kein Platz, lediglich Teppiche und einige Wandbehänge sorgten für eine wohnliche Atmosphäre. Auch Rosen, der auf Teufels Fotografie im verlorenen Profil an der Staffelei sitzt, wirkt eher zurückhaltend und bescheiden.

 

[80] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/streitt-franciszek

[81] Langer 1992, Seite 140

[82] Zitiert nach Zbigniew Fałtynowicz: Gemeinsamer Ursprung, in: Jednodniówka 2008 (siehe Literatur), Seite XVI

[83] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/rosen-jan

[84] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/piatkowski-henryk

[85] Adressbuch von München 1888, I. Teil, Seite 274

Ein Bericht des Malers, vermutlich aus der Mitte der Neunzigerjahre, gibt einen lebendigen Eindruck von der Beziehung des Prinzregenten Luitpold zu den Münchner Künstlern: „Ich male gerade verbissen in meinem leeren Atelier, als es läutet und ein schneidiger Offizier hereinkommt. Er stellt sich als Adjutant von Prinzregent Luitpold vor und meldet, dass Seine Königliche Hoheit meine Arbeiten zu sehen wünscht und unten wartet. Selbstverständlich lief ich hinunter und führte den alten Herrn sehr höflich herein, der, wie ich später erfuhr, es als seine Pflicht ansah, die Ateliers der Künstler zu besuchen, die in seiner Hauptstadt weilten. Und so kletterte er auch zu mir hinauf, besichtigte, fragte, wie es sich gehört, schließlich bot er mir eine Zigarre an […] Einige Tage später flatterte bei mir wie ein Blitz aus heiterem Himmel eine Einladung zum Prinzregenten herein. […] Ich warf mich in das vorgeschriebene Galagewand und eilte zu dem Essen, um fünf Uhr nachmittags! In einem prächtigen Saal empfing mich und einen weiteren Delinquenten, Czachórski, der mir bereits bekannte Adjutant und Hofdamen der Tochter des Prinzregenten Luitpold, der Prinzessin Therese. Nach einiger Zeit erschien unser alter Herr […] und geleitete jene Therese, eine verblühende und uninteressante Jungfer […]. Später wurde mit einem Knall die Tür geöffnet und wir wurden zu Tisch gebeten. […] Das Essen war vornehm und gut, zog sich aber sehr lange hin und das Gespräch wollte nicht recht in Gang kommen.“[86] 1895 ging Rosen nach Paris und lebte anschließend jeweils für mehrere Jahre in Lausanne, Warschau, Italien und Lwów.

Władysław Czachórski (1850-1911) [87], in München als Ladislaus von Czachorski bekannt, kam nach einigen Semestern in der Warschauer Zeichenklasse/Klasa Rysunkowa, die 1865 nach der von den russischen Behörden verfügten Schließung der Kunstakademie gegründet worden war, und an der Kunstakademie Dresden im Oktober 1869 nach München. Bis 1874 studierte er dort an der Akademie bei Piloty, Wagner und Hermann Anschütz (1802-1880). Wie Piątkowski berichtet, stammte Czachórski, den er vermutlich schon von der Warschauer Zeichenklasse her kannte, aus einer adligen Grundbesitzerfamilie in Lublin.[88] Über sein erstes Atelier schrieb Czachórski 1872 an seine Eltern, die über seinen Schritt, sich als Künstler in München niederzulassen, offenbar nicht informiert waren: „Ich fand einen ruhigen Gefährten, einen außerordentlich fleißigen und pünktlichen Mann, N. Iwanowski (einen verheirateten Litauer), der gern mitmacht. Wir mieteten deshalb gemeinsam für drei Monate […] ein recht geräumiges Atelier für 8 fl. [Gulden], was mich 12 fl. kosten wird. Wir wollen täglich 4 oder 3 Stunden malen, was uns monatlich zusammen mit der Räumlichkeit ungefähr 16 fl. kosten wird. Ich fürchte und bitte, dass Vater und Mutter mir wegen meines ohne ihre Erlaubnis getanen kühnen Schrittes nicht zürnen.“[89] Doch der junge Künstler hatte Erfolg. Er pflegte nicht nur zu Piloty ein vertrauensvolles Verhältnis; der „alte Kaulbach“, womit der Direktor der Kunstakademie, Wilhelm von Kaulbach (1805-1874), gemeint war, habe sogar aus einer Ausstellung heraus eine Studie für seine Sammlung gekauft, wie er an die Eltern schrieb: „Auch wenn der finanzielle Nutzen nicht groß ist, so ist der moralische bedeutend. Es kommt nämlich alle paar Jahre vor, dass Kaulbach manchmal die besten Studien akzeptiert, wofür der Knauser einen festen Preis hat“.[90]

Ab 1874 ging Czachórski für einige Jahre auf Reisen nach Frankreich und Italien. 1879 gründete er erneut ein eigenes Atelier in München, das ab Mitte der 1880er-Jahre in der Schillerstraße 26 in der Ludwigsvorstadt im zweiten Stock eines vollständig mit Künstlerateliers belegten Rückgebäudes verzeichnet ist.[91] 1890 wurde er Ehrenmitglied der Kunstakademie, 1893 mit dem Bayerischen Michaelsorden ausgezeichnet. Im selben Jahr erwarb Luitpold dessen Gemälde „Die Lesende“ für seine Sammlung. Czachórski blieb bis zu seinem Lebensende in München. Er malte Szenen aus Literatur, Geschichte und Schauspiel. Den größten Erfolg hatte er jedoch mit naturalistisch gemalten Frauenfiguren in Kostümen und detailliert geschilderten Interieurs des 18. Jahrhunderts, in denen er Stoffe, Blumen und Schmuck meisterlich wiederzugeben vermochte. Als Porträtist des Münchner Bürgertums gewann er weitreichende Anerkennung. Sein Atelier, von dem Teufel nur einen kleinen Ausschnitt fotografierte (Abb. 5, 6), lässt dennoch den repräsentativen Luxus des wohlhabenden Porträtmalers ahnen, der über architektonisch reich gegliederte Wandvertäfelungen, Brokattapeten, Gobelins, Teppiche und einen japanischen Paravent verfügte, wie er auch im Atelier von Wierusz-Kowalski zu sehen ist (Abb. 21). Der Barocksessel und die üppigen bronzenen Prunkvasen erscheinen in ähnlicher Form auf seinen Gemälden mit Blumen überreich dekorierter Boudoirs (Abb. 5a). Das Klavier verweist nicht nur wie bei Brandt und Wierusz-Kowalski auf die geselligen Abende der polnischen Künstlerkolonie, sondern auf eine umfassende kulturelle Bildung.

 

[86] Zitiert nach Ptaszyńska 2008, Seite VIII

[87] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/czachorski-wladyslaw

[88] Henryk Piątkowski: Władysław Czachórski. Z 32 Reprodukcjami (= Monografje artystyczne, Band XI), Warschau 1927, Seite 11 (Digitalisat: http://pbc.biaman.pl/dlibra/doccontent?id=38479)

[89] Zitiert nach Ptaszyńska 2008, Seite XI

[90] Zitiert nach Ptaszyńska 2008, Seite XIII

[91] Adressbuch von München 1885, I. Teil, Seite 76

Etabliert und bürgerlich präsentierte sich auch Franciszek bzw. Franz von Ejsmond (1859-1831)[92] in seinem Atelier (Abb. 7-9), das er von 1888 bis zu seinem Weggang aus München im Jahre 1894 im Ateliergebäude Theresienstraße 148 in der Maxvorstadt im zweiten Rückgebäude im ersten Stock links[93] gemietet hatte und in dem er auch wohnte (Abb. 7-9). Der Arbeitsraum, in dem seine Gemälde aufgereiht waren und wo er sich selbst an der Staffelei und in einer Mappe blätternd ruhig und ohne große Pose fotografieren ließ, war hoch und geräumig. Einzige Dekorationen bildeten einige Makartbuketts, Decken, Wandbehänge und Portieren und auch hier ein japanischer Paravent. Zwei Brustharnische, ein ausgestopfter Vogel und ein Regal mit Vasen und Flaschen wirken, als wäre es Pflicht gewesen, auch solche Requisiten zu haben. Nichts deutet auf das Malfach, auf die Sujets hin, die für Ejsmond typisch waren – wäre da nicht das lebensgroße Holzpferd mit Zaumzeug und einer bekleideten Reiterpuppe, das von links hinter einem Vorhang in den Atelierraum hineinzulaufen scheint (Abb. 8). Weder repräsentativer Prunk noch museale Sammelleidenschaft kennzeichnen diesen Maler. Treppenstufen führten in die offenbar wohnlicher und mit Teppichen, Gardinen, Vorhängen und Kleinmöbeln ausgestatteten Privaträume.

Auch Ejsmond war adliger Herkunft, Sohn eines Großgrundbesitzers aus der Nähe von Radom. Er hatte zunächst in Warschau im Privatatelier von Wojciech Gerson (1831-1901) und in der Zeichenklasse/Klasa Rysunkowa bei Aleksandr Kamiński (1823-1886) studiert und war 1879 nach München gegangen. Bis 1886 studierte er an der Kunstakademie bei Wagner und bei dem ungarischen Piloty-Schüler und Historienmaler Gyula Benczúr (1844-1920). Freundschaftliche Beziehungen pflegte er zu Fałat und Brandt. In seiner Malerei bearbeitete er eine große Bandbreite von Themen. Neben Reitermotiven und Jagdszenen im Schnee nach dem Vorbild von Brandt und Wierusz-Kowalski, wie sie auf einem der Atelierfotos (Abb. 7) zu sehen ist, malte er Figurenbilder im Stil des Orientalismus, Porträts, Stillleben, Blumenstücke und religiöse Szenen. Bekannt wurde er jedoch mit kleinformatigen Genremotiven aus dem dörflichen und kleinstädtischen Leben, die von Düsseldorfer und Münchner Malern wie Knaus, Vautier, Harburger und Defregger beeinflusst waren. Populär wurden seine sentimentalen und humorvollen Szenen, die Familienglück und Kinderleben idealisierten. Ein derartiges Bild, „Der Erstgeborene/Pierworodny“ ist im Zentrum einer der Atelierfotografien (Abb. 8) rechts neben der großen Staffelei zu sehen und wurde auch durch eine Kunstpostkarte im Münchner Verlag von Franz Hanfstaengl verbreitet (Abb. 8a). Varianten dieses Motivs finden sich heute noch im polnischen Auktionshandel.[94] Rechts daneben, vor einem Ofen, ist eine großformatige „Odaliske“ oder „Zigeunerin“ im orientalischen Stil aufgestellt, die in Haltung und Kopfschmuck dem Motiv einer bemalten Palette von Ejsmond im Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie ähnelt (Abb. 8b). Während andere Münchner Maler wie etwa Harburger ganze Bauernstuben als Studienobjekt und Modell in ihren Ateliers aufbauten,[95] erwarb Ejsmond erst nach seiner Rückkehr nach Polen in Dąbrówka bei Grodzisk ein Bauernhaus mit Mobiliar und Geräten, das ihm als Atelier und Vorbildersammlung für seine Malerei diente.

Als Zdzisław (von) Suchodolski (1835-1908)[96] 1880 nach München kam, hatte er einen Großteil seiner künstlerischen Karriere bereits hinter sich. Sohn eines Militärmalers, hatte er zunächst Rechtswissenschaften in Krakau studiert, ersten Malunterricht von seinem Vater erhalten und dann ein Kunststudium in Düsseldorf aufgenommen. Nach Aufenthalten in Brüssel und Paris arbeitete er ab 1863 als freischaffender Maler in Italien und ließ sich auf Capri nieder. Seit 1874 lebte er in Weimar, wo er die Malerin Elisabeth von Bauer, eine Schülerin des Historienmalers Ferdinand Pauwels (1830-1904), heiratete und einen Sohn bekam. Seit ihrem Umzug nach München wohnte die Familie in der Türkenstraße 98 in der Maxvorstadt im dritten Stock. Das Atelier befand sich um die Ecke in der Georgenstraße 1, wo Suchodolski als Historienmaler firmierte.[97] Als in der Türkenstraße die darunter liegende Wohnung frei wurde, zog die Familie dort ein und nutzte die Wohnung im Obergeschoss künftig als Atelier.[98] Die Fotografie von Teufel, die nur einen kleinen Ausschnitt der Atelierräume zeigt (Abb. 18, 19), deutet auf einen großbürgerlichen, etablierten Maler. In einem hohen Raum mit klassizistischer Stuckdecke dienen Barockmöbel, ein Porträt des fünfzehnjährigen Sohnes Zygmunt und einige Keramikflaschen und Krüge als Dekoration.

 

[92] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/ejsmond-franciszek-teodor

[93] Adressbuch von München 1888, I. Teil, Seite 70

[94] Franciszek Ejsmond: Ciche szczęście/Stilles Glück, 1887, Öl auf Leinwand, 17,5 x 22,8 cm, Auktionshaus Agra Art, Warschau, 1999, https://sztuka.agraart.pl/licytacja/7/368

[95] Carl Teufel: Der Genremaler Edmund Harburger in seinem Atelier, Fotografie, 1889; vergleiche Langer 1992, Seite 37

[96] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/suchodolski-zdzislaw

[97] Adressbuch von München 1885, III. Teil, Seite 50

[98] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 160

Suchodolski war eigentlich kein Historienmaler. Pecht bezeichnet ihn „Jagdmaler, der sich besonders durch die feine Stimmung seiner Bilder auszeichnet“.[99] Seit seiner Zeit an der Düsseldorfer Akademie, anschließend in Italien und auch in München widmete er sich jedoch vor allem religiösen Themen wie „Die Heilige Cäcilie unterrichtet einen Engel die Orgel zu spielen/Św. Cecylia ucząca aniołka gry na organach“ (1857), „Der Judaskuss/Pocałunek Judasza“ (1859), „Allerheiligste Jungfrau/Najświętsza Panna“ (1863), „Mutter Gottes/Matka Boska“ (1865), „Die Vision der Heiligen Theresa/Wizja św. Teresy“ (1876) oder „Heilige Drei Könige/Trzej królowie“ (1903). Auf dieses Malfach deuten in seinem Atelier auch die Bischofs- bzw. Heiligenfigur am Türdurchgang und der Hausaltar im dahinterliegenden Raum. Das auf der Staffelei präsentierte Gemälde zeigt ein bislang unbekanntes, offenbar antikes Sujet, bei dem ein Jüngling über Schriften und Papieren eingeschlafen ist. Der auf dem Gemälde dargestellte Vogel korrespondiert merkwürdig mit der ausgestopften Eule auf dem Barockschrank. Bei ihr könnte es sich, da sie auf einer Weltkugel sitzt, auch um das Wappentier der Münchner Schlaraffia-Vereinigung handeln, die sich zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor 1880 in der Neuturmstraße in der Münchner Altstadt gegründet hatte. 1890, im Jahr nach Teufels fotografischer Aufnahme, beteiligte sich Suchodolski mit einem Gemälde „Der Träumer“ an der zweiten Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen im Glaspalast,[100] 1893 mit einem Ölgemälde „Heilige Familie“.[101] 1895 war seine Frau dort unter dem Namen Elisabeth von Suchodolska mit einem Bild „Sterntaler“, er selbst mit einem Ölgemälde „Idyll“ vertreten.[102] Die Familie blieb in München ansässig. Suchodolski starb dort 1908. Sein Sohn Siegmund von Suchodolski (1875-1935) studierte an der Kunstgewerbeschule und an der Technischen Hochschule und wurde als Architekt, Gebrauchsgrafiker und Illustrator in München tätig.

Auch Szymon bzw. Simeon oder Simon Buchbinder (1853-1908?)[103] konnte bereits auf ein langes und abgeschlossenes Kunststudium und weitreichende Berufserfahrung zurückblicken, als er 1883 nach München kam. Er hatte ab 1869 in der Warschauer Zeichenklasse/Klasa Rysunkowa bei Gerson, Kamiński und Rafał Hadziewicz (1803-1883) studiert, dann in Wien als Dekorationsmaler an der Hofoper gearbeitet und sein Studium an der Kunstakademie fortgesetzt. 1879 bis 1882 absolvierte er ein Meisterstudium bei Matejko an der Krakauer Akademie der Bildenden Künste/Akademia Sztuk Pięknych. Während sein älterer Bruder Józef (1839-1909)[104], der ebenfalls Maler war, 1862/63 wohl nur zwei Studiensemester in Dresden und München verbracht hatte, blieb Szymon vierzehn Jahre in München. Die Brüder entstammten einer jüdischen Familie aus der Gegend von Lublin. Während sich Józef unter dem Einfluss der Bernhardinerabtei in Łuków, die seine künstlerische Ausbildung bezahlte, taufen ließ und sich in Rom und später in Warschau christlichen Bildthemen und der Altarmalerei zuwandte, bearbeitete Szymon unter dem Einfluss von Matejko zunächst historische Themen und beschäftigte sich dann mit Genremotiven aus dem jüdischen Alltagsleben. In der Alten Pinakothek in München studierte er die Niederländischen Meister des 17. Jahrhunderts (Pecht nennt Frans van Mieris den Älteren und Caspar Netscher)[105] und schuf in der bayerischen Hauptstadt vor allem kleinformatige Figuren- und Interieurbilder im Stil des niederländischen Barocks in altmeisterlicher Feinmalerei.

Zunächst in der Goethestraße ansässig, befand sich sein Atelier, so wie Teufel es fotografierte (Abb. 3, 4), in der Schwanthalerhöhe 10 in der Ludwigsvorstadt im vierten Stock, die Privatwohnung unweit davon in der heute gleichnamigen Schwanthalerstraße 35.[106] Das geräumige Atelier wirkt wie ein schlichter Arbeitsraum, in dem der Fotograf mangels anderer dekorativer Motive den Malstock und einige Bücher in den Vordergrund drapierte und den Künstler mit Palette und Pinseln in Positur setzte. Die wenigen Gegenstände, die der Ausstattung des Ateliers dienten, waren ein Prunkbehang, sorgsam und ohne viel Liebe auf dem Sims aufgereihte Kannen und Zierteller, eine bei fast allen Künstlern vorkommende Renaissance-Truhe und wenige Musikinstrumente. Künstlerisch und geschäftlich war Buchbinder erfolgreich. Er stellte mit den anderen polnischen Künstlern im Münchner Kunstverein aus. Seine Arbeiten wurden in der Presse positiv besprochen und er arbeitete, möglicherweise auf Bestellung, für die schon 1825 gegründete Münchner Galerie Wimmer, die in der Brienner Straße 3 in der Altstadt ansässig war und zeitweise über Filialen in London und New York verfügte. 1890 verkaufte die Galerie zwei seiner Gemälde an amerikanische Kunstsammler, 1891 ein nur 41 x 24 Zentimeter großes Bild mit einem vor der Staffelei stehenden jungen Mann an einen Sammler in New York für 16.000 Mark.[107] 1897 ging Buchbinder nach Berlin, wo er offenbar bis zu seinem Lebensende ansässig war.

 

[99] Pecht 1888, Seite 423

[100] Illustrirter Katalog der zweiten Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken Aller Nationen im königl. Glaspalaste, München 1890, Seite 39 (siehe Online-Ressourcen)

[101] Illustrirter Katalog der Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen im Kgl. Glaspalaste, München 1893, Abbildung 24

[102] Illustrirter Katalog der Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken Aller Nationen im Königl. Glaspalaste, München 1895, Seite 45

[103] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/buchbinder-szymon

[104] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/buchbinder-jozef

[105] Pecht 1888, Seite 423

[106] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 44

[107] Jednodniówka 2008, Seite XVII

1885 kam Zdzisław Jasiński (1863-1932) [108], Mitglied einer Warschauer Künstlerfamilie, zum Studium nach München, nachdem er zuvor in der Warschauer Zeichenklasse/Klasa Rysunkowa und an der Schule für Zeichnung und Malerei/Szkoła Rysunku i Malarstwa in Krakau bei bedeutenden Lehrern studiert hatte. Er schrieb sich an der Münchner Kunstakademie bei dem Genre- und Landschaftsmalers Otto Seitz (1846-1912) ein. Im selben Semester begannen auch die Polen Stanisław Radziejowski (1863-1950)[109], Apoloniusz Kędzierski (1861-1939)[110], Zygmunt Ajdukiewicz (1861-1917)[111] und Feliks Cichocki Nałęcz (1861-1921)[112] ihr Studium entweder bei Seitz oder in der Malklasse von Nikolaus Gysis (1842-1901) und der Naturklasse von Johann Caspar Herterich (1843-1905).[113] Außerdem studierte Jasiński bis 1889 bei Wagner Historienmalerei. Noch während seines Studiums war er 1888 in der III. Internationalen Kunstausstellung im Glaspalast mit einem Gemälde „Hausierer“ vertreten.[114] Im Jahr darauf zeigte er dort in der Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen das Gemälde „Die Mutter krank“,[115] das auch auf dem Atelierfoto von Teufel (Abb. 10) auf der Staffelei zu sehen ist. Auf einer Ausstellung der Kunstakademie erhielt das Bild eine Auszeichnung und wurde schließlich so bekannt, dass es im Jahr darauf in einem Pariser Verlag als Radierung reproduziert wurde und auch heute noch im Original überliefert ist (Abb. 10a, b).

Auch in den Folgejahren war Jasiński auf den Ausstellungen im Glaspalast vertreten. Er malte Figurenbilder mit religiöser Szenerie wie „Feiertagsmesse“ oder „Palmsonntag“, schuf ländliche Szenen, die in Interieurs oder dörflicher Umgebung spielen, Landschaften, Porträts, Kinderbilder sowie gelegentlich großformatige symbolistische Kompositionen und Allegorien. An einer vermutlich allegorischen Komposition mit zwei Schwestern, Grazien oder Nymphen in dramatischer Landschaft und im großen Format arbeitete der Maler, als er von Teufel fotografiert wurde – er selbst gut gekleidet, in professioneller, aber unaufdringlicher Pose. Sein Atelier befand sich in der Münchner Kunstakademie.[116] Daher fehlen jede Art von wohnlichen Dekorationen, Teppichen oder Wandvertäfelungen. Der Künstler war während seines gesamten Aufenthalts in München mit keiner weiteren Adresse verzeichnet. Das kleine Gemälde mit dem lesenden Kind in der linken unteren Ecke der Fotografie gelangte in einer weiteren Fassung möglicherweise an einen Sammler in den Vereinigten Staaten von Amerika, denn ein farbiger Kunstdruck wurde von dort noch bis ins 21. Jahrhundert hinein mit dem korrekten Namen des Künstlers und unter dem Titel „My First Picture Book“ vertrieben.[117] 1894 ging Jasiński nach Warschau zurück.

Mit Kazimierz Pułaski (Kasimir von Pulaski, 1861-1947)[118] fotografierte Teufel einen Maler, der bislang so gut wie gar nicht in Erscheinung getreten war, jedoch vermutlich prominente Fürsprecher hatte. Pułaski war in der Familie seines Vetters Wojciech Kossak (1856-1942)[119] in Krakau aufgewachsen, der selbst von 1873 bis 1876 in München studiert hatte und inzwischen in Krakau ein anerkannter Maler war. Pułaski hatte zunächst Architektur am Polytechnikum in Riga studiert und anschließend in der Armee gedient. 1889/90 kam er zum Studium der Malerei nach München, schrieb sich aber nicht an der Kunstakademie ein, sondern lernte vermutlich bei Brandt, den er in späteren Jahren häufig besuchte. Nach dem Vorbild von Kossak und Brandt malte er Kriegs- und Militärszenen, Pferde- und Jagdbilder, aber auch Landschaften und Porträts. Auf der wahrscheinlich 1893 entstandenen Fotografie (Abb. 13) präsentiert er ein gerade fertig gewordenes und noch ungerahmtes Gemälde mit einem Arrangement aus einem Reitersattel, seitlichem Degen, Taschen, Gürteln, Kartenmaterial und als Krönung einem Greifvogel mit ausgebreiteten Flügeln, das er zuvor aus realen Utensilien vor einem Stück Stoff aufgebaut hatte.

 

[108] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/jasinski-zdzislaw-piotr

[109] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/radziejowski-stanislaw

[110] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kedzierski-apoloniusz

[111] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/ajdukiewicz-zygmunt

[112] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/cichocki-nalecz-feliks

[113] Stępień/Liczbińska 1994, Seite 15

[114] Illustrierter Katalog der III. Internationalen Kunstausstellung (Münchener Jubiläumsausstellung) im Königl. Glaspalaste zu München 1888, Seite 62 (siehe Online-Ressourcen)

[115] Illustrierter Katalog der Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken Aller Nationen im königl. Glaspalaste, München 1889, Seite 45

[116] Langer 1992, Seite 174

[118] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/pulaski-kazimierz

[119] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kossak-wojciech

Das Gemälde wirkt wie eine Studie zu Übungszwecken, doch die auf dem Sims aufgereihten Zeichnungen und kleineren bis mittelformatigen Gemälde belegen, dass der Künstler bereits ein versierter Maler war. Da er in keinem Münchner Adressbuch verzeichnet ist, haben ihn vielleicht Brandt oder ein anderes Mitglied der polnischen Kolonie an den Fotografen weiterempfohlen. Das Atelier wirkt improvisiert und es ist zu vermuten, dass der Künstler hinter dem an einer Bambusstange aufgehängten Vorhang seine Schlafstelle hatte. Dennoch ist es pittoresk genug um für den Fotografen von Interesse zu sein. Nach dem Vorbild von Brandt hat der Künstler Sättel und Zaumzeug, Uniformmützen, Pistolen und Säbel, Geweihe und eine Schießscheibe zusammengetragen, die er mit einiger Mühe in dem kleinen Raum arrangiert hat. Die auf einem Regalbrett und auf dem Tisch darunter aufgereihten Familienfotos deuten ebenfalls darauf hin, dass der Künstler hier nicht nur arbeitete, sondern auch wohnte. 1893 war er ein einziges Mal auf der Jahresausstellung im Glaspalast vertreten, und zwar mit Reiterporträts eines „Oberstlieutenants Baron v. R.“ und eines „Hauptmanns von F.“. Im Katalog ist seine Adresse mit Heßstraße 37 in der Maxvorstadt verzeichnet.[120] 1895 ging er nach Berlin um im Atelier von Kossak an der Ausführung historischer Panoramen mitzuarbeiten, kehrte aber immer wieder nach München zurück um Brandt zu besuchen.

Bis auf Pułaski waren alle polnischen Künstler, die Teufel ab 1889 für seine Atelieraufnahmen auswählte, bereits seit vielen Jahren oder sogar Jahrzehnten in München ansässig. Brandt, Wierusz-Kowalski, Kozakiewicz, Streitt, Rosen, Czachórski und Ejsmond waren schon in den Sechziger- und Siebzigerjahren, Suchodolski, Buchbinder und Jasiński zwischen 1880 und 1885 nach München gekommen. In der Öffentlichkeit bildeten sie sozusagen die Kerntruppe der polnischen Künstlerkolonie, die in wechselnder Besetzung und mit Ergänzung weiterer Maler immer wieder in den zeitgenössischen Publikationen genannt wurde. Adolf Rosenberg erwähnte in seiner 1887 erschienenen Abhandlung über die Entwicklung der Münchener Malerschule ausdrücklich die Existenz der „Polenkolonie“ und nannte Brandt, Wierusz-Kowalski, Czachórski und Kozakiewicz, aber auch den verstorbenen Maksymilian Gierymski (1846-1874)[121], den bereits in New York lebenden Jan Chełmiński (1851-1925)[122], den schon in Berlin arbeitenden Fałat und Szerner als deren wichtigste Mitglieder.[123]

Friedrich Pecht würdigte in seiner 1888 erschienenen „Geschichte der Münchener Kunst im neunzehnten Jahrhundert“ Brandt, Wierusz-Kowalski, Kozakiewicz, Czachórski, Suchodolski, Buchbinder, außerdem Gierymski, die in München ansässigen Kurella und Włodzimierz Łoś (Waldemar Los, 1849-1888)[124], Chełmiński und den bis zu seinem Lebensende 1895 in München tätigen Świeszewski, der bereits 1876 an dem „Album polnischer Maler“ (siehe PDF) mitgearbeitet hatte. Im November 1887 bildete die Münchner Zeitschrift Kunst für alle unter dem Titel „Die Polen in München“ eine Malerpalette ab, die Brandt, Wierusz-Kowalski, Rosen, Buchbinder, Ejsmond, Szerner, Fałat und der bis 1888 in München tätige Bohdan Kleczyński (1851/52-1920)[125] mit jeweils für sie typischen Motiven bemalt hatten.[126] Eine weitere bemalte Palette zeigte die Warschauer Zeitschrift Tygodnik Ilustrowany 1890 unter dem Titel „Paleta malarzy monachijskich/Palette Münchner Künstler“ (Abb. 23) mit Motiven von Brandt, Wierusz-Kowalski, Rosen, Streitt, Kozakiewicz, Czachórski, Buchbinder, Ejsmond sowie Szerner, Aleksander Gierymski und den in München ansässigen Malern Wacław Szymanowski (1859-1930), Józef Wodziński (1859-1918) und Michał Gorstkin Wywiórski (1861-1926).[127]

 

[120] Illustrirter Katalog der Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen im Kgl. Glaspalaste, München 1893, Seite 64

[121] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/gierymski-maksymilian

[122] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/chelminski-jan

[123] Rosenberg 1887 (siehe Literatur), S. 46-48

[124] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/los-wlodzimierz

[125] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kleczynski-bohdan

[126] siehe in der Online Ausstellung „Polnische Künstler in München 1828-1914“ auf diesem Portal die Abb. 15, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/polnische-kuenstler-muenchen-1828-1914

[127] Vergleiche Jednodniówka 2008, Seite XVII

In der Neuen Pinakothek waren um 1891 Gemälde von Brandt, Wierusz-Kowalski und Aleksander Gierymski zu sehen, deren Hängung in der ständigen Schausammlung die Mitglieder der polnischen Künstlerkolonie mit Stolz erfüllte, zumal Brandt seine Gemälde mit dem Zusatz „z Warszawy“ (dt. aus Warschau) signiert und mit der polnischsprachigen Ortsbezeichnung „Monachium“ anstelle von „München“ bezeichnet hatte.[128] In der Kunstsammlung des Prinzregenten Luitpold befanden sich bei dessen Ableben im Jahre 1912 Gemälde von Brandt, Wierusz-Kowalski, Czachórski, Chełmiński, Stanisław Grocholski (1860-1932)[129] und Wywiórski.[130] Zu dem Zeitpunkt, als Teufel den Großteil seiner Atelieraufnahmen anfertigte, also 1889/90, hatten natürlich zahlreiche polnische Künstler München schon seit langem oder gerade erst verlassen wie beispielsweise Apoloniusz Kędzierski (1861-1939)[131], der 1889 nach vierjährigem Studium zurück nach Warschau gegangen war, oder Ludwik de Laveaux (1868-1894)[132], der 1890 nach Paris wechselte. Andere studierten in den ersten Semestern an der Kunstakademie wie Władysław Pochwalski (1860-1924)[133] oder Józef Puacz (1863-1927)[134] oder kamen sehr viel später.

Nach der Auswahl der von Teufel berücksichtigten polnischen Künstler zu urteilen, hatte dieser seine Namensliste aus dem Kreis von Brandt und Wierusz-Kowalski erhalten. Diese Liste hätte jedoch, berücksichtigt man nur die in München wirklich etablierten polnischen Künstlerinnen und Künstler, sehr viel länger ausfallen können: Szerner, Maler von gekonnten Pferdeszenen, der seit 1865 in München studiert und lange Zeit in Brandts Atelier als Assistent gearbeitet hatte, blieb bis zu seinem Lebensende 1915 in München. Sein Atelier lag über dem von Brandt in der Schwanthalerstraße 19 im dritten Stock, er selbst wohnte in der Goethestraße 29[135] unweit von Wierusz-Kowalski. Olga Boznańska, eine hoch talentierte und versierte Figuren- und Porträtmalerin, die seit 1886 in München bei Privatlehrern studierte und ab 1888 an den Ausstellungen im Glaspalast teilnahm, eröffnete im Folgejahr ihr eigenes Atelier, das sie bis zu ihrem Weggang nach Paris 1898 erfolgreich führte.[136] Aleksander Gierymski, der 1868-72 in München studiert hatte, war von 1888 bis 1890 wieder in der Stadt und malte unter anderem seine berühmten Münchner Stadtansichten bei Nacht. 1890 erwarb die Neue Pinakothek sein Gemälde vom „Wittelsbacher Platz“, das zuvor in der Jahresausstellung im Glaspalast mit einer Medaille ausgezeichnet worden war.[137] Sein Atelier lag in der Amalienstraße 49 in der Maxvorstadt, privat wohnte er in der Adalbertstraße 27.[138] 1890 kam die an der Kunstakademie in St. Petersburg ausgebildete Figuren- und Interieurmalerin Otolia Kraszewska (1859-1945)[139] nach München, wohnte in der Sophienstraße 5 in der Maxvorstadt, nahm ab 1892 an den Ausstellungen im Glaspalast teil und blieb bis zu ihrem Lebensende in der bayerischen Hauptstadt.

In München etabliert war zu dieser Zeit auch der Landschaftsmaler Roman Kochanowski (1856-1945)[140], der nach seinem Studium in Krakau und Wien 1881 nach München gekommen war und hier bis zu seinem Lebensende künstlerisch arbeitete. Von ihm erwarb der Münchner Kunstverein 1890 und in den folgenden Jahren insgesamt zehn Gemälde, die unter den Mitgliedern als Jahresgabe verlost wurden. Ansässig war er in Landwehrstraße 29.[141] Szymanowski und Grocholski hatten ab 1880 bzw. 1881 in München studiert und eröffneten gemeinsam zwischen 1891 und 1893 in einem Haus in München-Pasing eine private Malschule, in der bis 1901 zahlreiche polnische Künstler studierten. Kurella, der die Münchner Kunstakademie von 1861 bis 1867 besucht hatte, war mit Brandt, den Brüdern Gierymski, Józef Chełmoński (1849-1914)[142] und Czachórski befreundet und eines der aktivsten Mitglieder der polnischen Künstlerkolonie. Er malte Genrethemen aus dem dörflichen und kleinstädtischen Leben in Polen sowie religiöse Szenen, war in der Schwanthalerstraße 36 ansässig[143] und bis 1897 in München künstlerisch tätig. Wywiórski hatte von 1883 bis 1887 an der Akademie studiert, aber auch Privatunterricht in den Ateliers von Brandt und Wierusz-Kowalski genommen und orientierte sich anfangs an deren Motiven. Er bereiste ganz Europa und fuhr 1900 mit Wojciech Kossak nach Ägypten um ein Panorama über die „Schlacht bei den Pyramiden“ vorzubereiten. In München war er in der Theresienstraße 148 ansässig.[144] 1894 ging er nach Berlin um in Kossaks Atelier zu arbeiten, wohin ihm Pułaski ein Jahr später folgte.

 

[128] Ptaszyńska 2008, Seite XII

[129] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/grocholski-stanislaw

[130] Ptaszyńska 2008, Seite XIII

[131] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kedzierski-apoloniusz

[132] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/laveaux-ludwik-de

[133] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/pochwalski-wladyslaw

[134] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/puacz-jozef

[135] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 361

[136] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/boznanska-olga; Online-Ausstellung „Olga Boznańska“ auf diesem Portal, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/olga-boznanska

[137] Vergleiche die Online-Ausstellung „Aleksander Gierymski“ auf diesem Portal, Abbildung 11, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/aleksander-gierymski

[138] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 102. Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/gierymski-aleksander

[139] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kraszewska-otolia

[140] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/kochanowski-roman

[141] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 179

[142] Ausführliche Biografie in der Encyclopaedia Polonica, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/chelmonski-jozef

[143] Adressbuch von München 1890, I. Teil, Seite 193

[144] Adressbuch von München 1893, I. Teil, Seite 131 (Gorstkin Wywiorski)

Die Ausstattung der polnischen Künstlerateliers, so wie Teufel sie um 1890 fotografierte, folgte mit ihren Sammlungen und ausgestellten Gemälden sicher den Erwartungen des Publikums, also der hochrangigen Besucher, Sammler und Galeristen, die bei den Polen nichts weniger als ein unbekanntes, „exotisches“ oder besser pittoreskes Europa erwarteten,[145] das, wenn es thematisch um die Türkenkriege oder um Völker, Landschaften und Kriegsereignisse von den östlichen Grenzen Polens ging, sogar dem „Orient“ nahekam. Der Eindruck des Andersartigen der polnischen Malerei, auch wenn er vor allem die Kerntruppe der Künstler um Brandt und Wierusz-Kowalski betraf, hielt sich über Jahrzehnte. Im Januar 1875 schrieb der Münchner Kunsthistoriker und Konservator an der Alten Pinakothek, Adolf Beyersdorfer (1842-1901), in der Wiener Tageszeitung „Neue Freie Presse“: „Gierymski und seine Genossen stellen also die Welt in ihrem ärmsten Kittel dar: ein Stück polnische Halde, ein Fleckchen Puszta mit kümmerlichem Gras und Gestrüpp und sechs Meilen unentgeltlicher Fernsicht ins Blaue – im Vordergrund manchmal etwas Aufwand, z.B. ein Distelstrauch oder ein Wassertümpel – eine Heideschenke, die kalkweiße Mauer dem grellen Sonnenlichte zugekehrt, oder ein ganzes Dorf, eine dunkle, zusammengedrängte Häuserherde bei Nacht oder im Morgengrauen […], eine wahre Selbstmörderstimmung – kurzum allenthalben die beabsichtigte Nüchternheit und Trostlosigkeit einer armen Natur.“[146] Noch knapp drei Jahrzehnte später, 1903, urteilte der Maler, Architekt und Schriftsteller Stanisław Witkiewicz (1851-1915), die Malerei von Brandt und seinem Kreis stelle eine für Ausländer märchenhafte Welt dar, „deren Gestalt, Bewegungen, Taten und Verhaltensweisen, Kleidung und Waffen die Betrachter durch ihre Außergewöhnlichkeit in Erstaunen versetzten.“ Solche Helme, Säbel, Gewänder, solche eine Masse an seltsamen Dingen, malerischen Wirtshäusern, schiefen Strohdächern, matschigen Gräben und verfallenen Mühlen hätte man andernorts vergebens gesucht.[147]

Die Sammlungen in den Ateliers der polnischen Künstler, vor allem die von Brandt (Abb. 1, 2), Kozakiewicz (Abb. 11), Rosen (Abb. 14, 15) und Pułaski (Abb. 13), dienten also nicht nur als Vorbilder für ihre Malerei, sondern versuchten den Eindruck des Andersartigen und Pittoresken in musealer Weise über Jahrzehnte hindurch zu konservieren. Sie repräsentierten für jeden einzelnen Künstler sicher ein Stück Heimat, waren aber zugleich ein wichtiger Teil ihrer Verkaufsstrategie.


Axel Feuß, Januar 2018

 

 

[145] Anna Baumgartner (2015, Seite 33-35, siehe Literatur) diskutiert kritisch den Begriff des „Exotischen“ im Hinblick auf die polnische Malerei dieser Zeit, wie er heute von polnischen Kunsthistoriker*innen verwendet wird, in der zeitgenössischen Kunstkritik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch keine Anwendung fand.

[146] Adolph Beyersdorfer: Neue Kunstbestrebungen in München IV., in: Neue Freie Presse, Nr. 3745, Wien, 29.1.1875, Seite 1 (Digitalisat: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=18750129&seite=1&zoom=33)

[147] Stanisław Witkiewicz: Aleksander Gierymski, Lwów 1903, Seite 20 (Digitalisat: http://cyfrowa.chbp.chelm.pl/dlibra/doccontent?id=11097)

Literatur:

Album malarzy polskich. Serya pierwsza. Monachium, Warschau 1876

Bagińska, Agnieszka: „Atelje jako rzecz malarska“. Pracownia Józefa Brandta przy Schwanthalerstraße 19 w Monachium/“Atelier as a painting subject matter“. Józef Brandt’s atelier at 19 Schwanthalterstraße in Munich, in: Monika Bartoszek (Herausgeberin): Józef Brandt (1841-1915). Między Monachium a Orońskiem/Between Munich and Orońsko, Ausstellungs-Katalog Orońsko 2015

Baumgartner, Anna: Überlegungen zur „Exotik“ in der Malerei um Józef Brandt, in: Egzotyczna Europa, Ausstellungs-Katalog Suwałki 2015 (siehe unten), Seite 33-35

Beck, Julius: Münchener Malerateliers. Plauderei, in: Vom Fels zum Meer. Spemann’s Illustrirte Zeitschrift für das Deutsche Haus, 1. Band 1889/90 (Oktober/März), Stuttgart 1890, Spalte 229-249 und 397-414

Egzotyczna Europa. Kraj urodzenia na płótnach polskich monachijczyków/Das exotische Europa. Heimatvisionen auf den Gemälden der polnischen Künstler in München, Ausstellungs-Katalog Suwałki 2015

Jednodniówka – Eintagszeitung. Neuausgabe, herausgegeben von Zbigniew Fałtynowicz / Eliza Ptaszyńska, Muzeum Okręgowe w Suwałkach, Suwałki 2008, zugleich Katalog der Ausstellung „Signatur - anders geschrieben. Anwesenheit polnischer Künstler im Lichte von Archivalien“, Polnisches Kulturzentrum, München 2008

Jooss, Birgit: „Bauernsohn, der zum Fürsten gedieh“. Die Inszenierungsstrategien der Künstlerfürsten im Historismus, in: Plurale. Zeitschrift für Denkversionen, 5, 2005, Seite 196-228

Jooss, Birgit: Das Atelier als Spiegelbild des Künstlers, in: Künstlerfürsten. Liebermann, Lenbach, Stuck. Ausstellungs-Katalog Max-Liebermann-Haus, Berlin 2009, Seite 57-66

Jooss, Birgit: „Ein Tadel wurde nie ausgesprochen“. Prinzregent Luitpold als Freund der Künstler, in: Ulrike Leutheusser/Hermann Rumschöttel (Herausgeber): Prinzregent Luitpold von Bayern. Ein Wittelsbacher zwischen Tradition und Moderne, München 2012, Seite 151-176

Joos, Birgit: München – die Stadt der Malerfürsten, in: Malerfürsten, München 2018 (siehe unten), Seite 41-51

Langer, Brigitte: Das Münchner Künstleratelier des Historismus, Dachau 1992

Malerfürsten, Ausstellungs-Katalog Bundeskunsthalle Bonn, München 2018

Mongi-Vollmer, Eva: Das Atelier des Malers. Die Diskurse eines Raumes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (= Dissertation Freiburg im Breisgau, 2002), Berlin 2004

Mongi-Vollmer, Eva: Das Atelier als „anderer Raum“. Über die diskursive Identität und Komplexität des Ateliers im 19. Jahrhundert, in: Paolo Bianchi (Herausgeber): Das Atelier als Manifest, in: Kunstforum international, Bd. 208, 2011, Seite 92-107

Pecht, Friedrich: Geschichte der Münchener Kunst im neunzehnten Jahrhundert, München 1888

Ptaszyńska, Eliza: Dunkle Wälder, nackte Ebenen und Schnee, in: Jednodniówka – Eintagszeitung, Suwałki 2008 (siehe oben), Seite X-XIV

Rosenberg, Adolf: Die Münchener Malerschule in ihrer Entwicklung seit 1871, Leipzig 1887

Stępień, Halina / Maria Liczbińska: Artyści polscy w środowisku monachijskim w latach 1828-1914. Materiały źródłowe, Warschau 1994

Ste̜pień, Halina: Artyści polscy w środowisku monachijskim. W latach 1856-1914 (Studia z historii sztuki / Instytut Sztuki, Polska Akademia Nauk, 50), Warschau 2003

Stepień, Halina: Die Welt der eigenen Empfindungen, in: Jednodniówka – Eintagszeitung, Suwałki 2008 (siehe oben), V-IX

Teufel, Carl: Ateliers Münchener Künstler [100 Fotografien], Band 1 (A-H), Band 2 (K-P), Band 3 (R-Z), München (1889)

 

Online-Ressourcen:

Carl Teufel: Ateliers Münchener Künstler, 3 Bände, München (1889) http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0011/bsb00110288/images/, http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0011/bsb00110306/images/, http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0011/bsb00110307/images/

Die zitierten Adressbücher der Stadt München sind im OPACplus der Bayerischen Staatsbibliothek einsehbar unter dem Suchwort „Adressbuch von München“, unter der Position „1845-1906; 1912-1918“ und dem Button „online lesen“, https://opacplus.bsb-muenchen.de/metaopac/start.do

Die zitierten Ausstellungs-Kataloge vom Münchner Glaspalast sind verfügbar auf der Webseite „Kataloge der Kunstausstellungen im Münchner Glaspalast 1869-1931“ der Bayerischen Landesbibliothek online, https://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/glaspalast

(Alle Links wurden zuletzt im Dezember 2018 aufgerufen.)