Daniel Libeskind. Ein Virtuose der Architektur
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Symbolische Rückkehr
Zerstörung und Wiedergeburt sind zwei Motive, die Daniel Libeskind in seinen Arbeiten häufig nutzt. So war es auch beim Bau des Wohnhochhauses Złota 44 [der Name leitet sich von der Anschrift des Bauwerks ab – Anm. d. Übers.] in Warschau – dem bisher einzigen Projekt des Architekten in Polen (der früher einmal geplante Bau eines Wolkenkratzers in Danzig/Gdańsk und des sogenannten City Gates in Lodz kamen nicht zustande – Anm. d. Autorin). Das Hochhaus mit seinen 192 Metern Höhe und den 52 Etagen wurde 2016 im unmittelbaren Zentrum von Warschau errichtet, unweit der Emilia-Plater-Straße (ulica Emilii Plater), in der Daniels Mutter vor dem Krieg wohnte. Das Objekt steht für die symbolische Rückkehr des Architekten in die Stadt, die Libeskind aus seiner Kindheit als graue, vom Kommunismus geprägte Metropole in Erinnerung hatte. „Dank Złota 44 hat sich der Kreis der Geschichte geschlossen. Wer hätte das gedacht, dass ich nach so vielen Jahren hierhin zurückkehren werde, um diesen imposanten Bau zu errichten, noch dazu so nahe der Straße, in der meine Mutter wohnte? Einen Bau, in dem man Polen spürt. Es ist nicht irgendein Hochhaus, vielmehr geht es hier um den Boden, auf dem es entstanden ist, um die wunderschöne Stadt, die im Laufe der Geschichte so gelitten hat und die in unvorstellbarer Weise wiedererstanden ist. Das alles hat mich inspiriert“, gestand der Architekt in einem Interview.[9]
Die Warschauer nennen den Wolkenkratzer „Segel“, obwohl Libeskind für die Gestaltung des Objekts den erhobenen Flügel eines zum Flug ansetzenden Adlers als stilisiertes Element wählte. Das exklusive Appartementhaus ist mit neuesten Technologien ausgestattet, die der Architekt liebt. Bestes Zeugnis dieser Vorliebe ist die „Libeskind-Villa“ im nordrhein-westfälischen Datteln, ein Fertighaus, das im Auftrag der Firma Rheinzink entstand und als Empfangsgebäude der Firma dient. Das Einfamilienhaus wurde als Prototyp für intelligente Häuser, sogenannte „Smart Homes“, entwickelt und mit größtem Respekt für die Umwelt gebaut. Die Erdwärmepumpe, die Solaranlage, die Regenwasseraufbereitung und viele andere moderne Features, die in diesem Gebäude angetroffen werden, erlauben es, es mit Fug und Recht als „Öko-Haus“ zu bezeichnen. Doch die horrenden Preise dieser zukunftsorientierten Lösungen sind der Grund dafür, dass sich der 500 Quadratmeter große Bau eher als Anschauungsobjekt für die neusten Technologien eignet, denn als Prototyp für Häuser, die in Serie errichtet werden sollen.
Mehr Glück hatte Libeskind mit dem Projekt „Verve“ in Frankfurt am Main, das insgesamt sieben luxuriöse Stadtvillen umfasst und das im Sinne nachhaltiger Entwicklung realisiert wurde. Zwar finden sich auch hier die extravaganten Gebäudeformen wieder, an die Libeskind mittlerweile gewöhnt hat, doch der gesamte Wohnkomplex wurde so harmonisch in den Stadtteilentwicklungsplan integriert, dass der Eindruck entsteht, die Häuser fügten sich in die Natur ein, und nicht umgekehrt. Die Einzigartigkeit dieser Anlage besteht auch in ihren Ausführungsdetails, etwa in Badezimmerfliesen, die Daniel Libeskind speziell und exklusiv für dieses Projekt entworfen hat und die es sonst nirgendwo im Handel gibt. Der Architekt befasst sich schon lange mit der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen, die es ihm nach eigener Aussage ermöglichen, eine intimere Beziehung zu den Nutzern seiner „Produkte“ einzugehen. Libeskind entwirft unter anderem Türen, Klinken, Möbel und Leuchten, manchmal sogar ganze Innenräume, wie auch für das Hochhaus Złota 44, in dem er die repräsentative Lobby des Gebäudes gestaltet hat.
[9] Złota 44 – wywiad z Danielem Libeskindem (Złota 44 – Interview mit Daniel Libeskind), https://www.youtube.com/watch?v=JZlFqQQXRtY (letzter Zugriff: 01.04.2021).