Stefan Szczygieł. Das fotografische und filmische Werk
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Stefan Szczygieł ergreift die Gelegenheit im Zuge der sich damals anbahnenden Liberalisierung der Passbeantragung in Polen beim Schopf und erbittet die Ausreise. Dass der Zweck ein längerer Studienaufenthalt in Deutschland sein soll, gibt er nicht an. Er will zum einen seiner Leidenschaft zu fotografieren, zum anderen seinen freien künstlerischen Vorstellungen eine berufliche Gestalt geben. Die Düsseldorfer Kunstakademie gehört mit ihrem experimentellen Charakter in jener Zeit zum Zentrum der Ausbildung neuer Medien und der Fotografie: Die Klasse von Bernd Becher (1931-2007) ist Anlaufpunkt für Studenten, die sich der künstlerischen und dokumentarischen Fotografie widmen wollen, Nam June Paik (1932-2006) ist als Komponist und Künstler der Übervater und Begründer der Medienkunst und einer der wichtigsten künstlerischen Persönlichkeiten innerhalb der Akademie.
Beide Komponenten, die klare dokumentarische Strenge der Becher-Klasse wie auch das künstlerisch Freie bei Nam June Paik ziehen sich wie ein roter Faden durch das spätere Werk von Stefan Szczygieł. Dabei ist eines – beiden: Ausbildern wie dem Schüler – gemein: die extrem hohe Präzision der formalen Techniken und inhaltlichen Themen sowie eine eigene Werktreue.
Nach einer Zeit der beruflichen Konsolidierung in den 1990er-Jahren – Szczygieł arbeitet nun in erster Linie als Werbe- und Agenturfotograf und verdient genug Geld, um sich mit Zeitverzug auch parallel seinen freien Projekten widmen zu können – findet er mit dem Jahrtausendwechsel schließlich in die künstlerische Fotografie zurück.
Blow Ups
Innerhalb dieser Domäne beginnt Szczygieł mit einer fotografischen Serie, die er mit den englischen Begriffen Blow Ups oder High Resolution Objects (dt.: „Vergrößerungen“ oder „Hochaufgelöste Objekte“) bezeichnet und während einer Zeit von fünf Jahren kontinuierlich verfolgt.
Einzelne Gegenstände, wie beispielsweise Uhren, Telefone, Schmuckstücke, Zigarettendosen, Feuerzeuge, Bücher, Fotoapparate, Münzen und Knöpfe – zum Teil historisch – werden von ihm präzise und in extremer Vergrößerung vor oder auf einem neutralen Hintergrund abgelichtet. Die Abzüge sind mit 200 x 200 cm und bis zu 200 x 400 cm überdimensional groß. Im Vergleich mit den eigentlich dargestellten Objekten entstehen bis zu 200-fache Vergrößerungen. Diese Close-Ups wirken durch das Großformat und dem indifferenten hellgrauen Hintergrund auf eine ganz eigenartige Weise hyperreal, als ob die Gegenstände schweben und ohne jede Verankerung existieren würden und keinen Gravitationsgesetzen zu folgen hätten. Hinzukommen die Hervorhebungen makroskopischer Details wie Kratzer, Verfärbungen, Altersspuren, Rost, kleine Prägungen und Ziselierungen sowie eine Materialdichte, die von bis zu 350 Millionen Pixeln Bildauflösung gespeist wird.